Heiko Schulze und Günter Gall mit einer Reise durch die Osnabrücker Geschichte beim Männergesprächskreis der Arche

Neue OZ, 6.3.2015
Mit Bänkelsang durch die Geschichte
Warum ein Osnabrücker Schneider erst zum Helden und dann geköpft wurde

Einblicke in „Geschichte von unten“: Heiko Schulze (links) las aus seinem Buch „Lenethun“. Rechts von ihm stehen Detlef Salomo und Günter Gall. Foto: Jannik Zeiser

jaz Lotte. Die Protagonisten der Geschichtsbücher sind meist die Reichen und Mächtigen. Vom Leben und Leiden des gemeinen Volkes und der kleinen Revolutionäre dagegen wird selten gesprochen. Beim Männergesprächskreis Talk am Dienstag im evangelischen Alt-Lotter Gemeindehaus Arche kehrten zwei Künstler die Perspektive um und präsentierten „Geschichte von unten“.
Üblich sind beim Dienstagstalk Vorträge mit anschließender Diskussion. Heiko Schulze und Günter Gall hatten aber ein Programm aus Lesung und Musik im Gepäck, das Pastor Detlef Salomo als „Kleinkunst im besten Sinne des Wortes“ würdigte. Schulze betätigt sich in seiner Freizeit als Autor und hat bereits mehrere historische Romane verfasst, aus denen er ausgewählte Abschnitte vorlas. Gall, freischaffender Künstler, trug historisches Liedgut sowie eigene Kompositionen vor. Die beiden Gäste aus Osnabrück beschränkten sich in ihrer kleinen Geschichtsstunde im Wesentlichen auf ihre Heimatstadt. Das kam in der westfälischen Runde gut an, denn die Schauplätze der Geschichten hatten für die Zuhörer einen bekannten Klang: Rampendahl, Ledenhof, Gartlage oder das Osnabrücker Rathaus.
 Die Reise durch 600 Jahre lokaler Geschichte begann bei einem gewissen Schneider Johann Lenethun. Dieser machte im Jahr 1488 in der Schenke Rampendahl – die damals noch nicht an ihrem heutigen Platz zu finden war – Stimmung gegen die Obrigkeit. Es war die Zeit, in der das prachtvolle und teure Rathaus der Stadt errichtet wurde, sehr zum Stolze des Bürgermeisters Ertman. Für die Finanzierung des Baus mussten die Bürger eine Sondersteuer entrichten. „Dieses prächtige Gebäude ist nicht für uns. Nur für die edlen Herren des Rates und für die Herren Bürgermeister“, lässt Schulze seinen Lenethun im gleichnamigen Buch sagen. Die Person gab es wirklich, und der Autor hat sich, so gut es ging, an historische Fakten gehalten.
Als in der Geschichte dann Domherren und Großgrundbesitzer Felder einzäunen, die vormals für das Vieh des Volkes zur Verfügung standen, kommt es zu einem Volksaufstand, den Lenethun anführt. Die Aufständischen erreichen schließlich ihr Ziel, die Zäune werden eingerissen, und die Wogen glätten sich wieder. Als Lenethun einige Zeit später einen weiteren Aufstand anzetteln will, wird er festgenommen und auf dem Marktplatz geköpft. Als selbst ernannter Bänkelsänger Gunther van Ossenbrügge trug Günter Gall die Geschichte von Lenethun anschließend musikalisch als Ballade vor.
 So ging es in rasantem Tempo weiter durch die Geschichte Osnabrücks, über den 30-jährigen Krieg, einen Aufstand der Schuhmachergesellen zur Zeit der Französischen Revolution bis hin zur Zeit Erich Maria Remarques und Felix Nussbaums.