Heribert Rück liest am 4. Januar im Erzählcafé Salzböden bei Lollar

Heribert Rück liest am 4. Januar im  Erzählcafé Salzböden bei Lollar
aus meinem Roman  WEGE UND ZEICHEN. Beginn 15 Uhr.

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Heribert Rück
Wege und Zeichen
Eine Jugend im Sudetenland.
Geest-Verlag: Vechta-Langförden, 2005.
ISBN 3-937844-72-4
12.50 Euro

 

hier gibt es eine Leseprobe vom Autor selbst

Keine regionale Geschichtsschreibung, vielmehr legt der Autor mit
diesem Buch eine literarische Auseinandersetzung vor, die sich
wohltuend abhebt, von vielem, was sonst zu dieser Zeit und Region
angeboten wird.
Das Werk gibt Einblick in eine Zeit der Umbrüche. Als Volksschüler
erlebt Robert Glasl die Tschechoslowakei der 30er Jahre, dann den
Einmarsch der Deutschen, die Jahre des Kriegs und die Besetzung seiner
Heimatstadt durch amerikanische Truppen. Nach dem Verlust des
Elternhauses durch Enteignung kommt er in ein als Lager dienendes
leerstehendes Hotel. Das Buch endet mit einer dramatischen Flucht.
Obwohl Fiktion, weist der Roman viele Bezüge zum Leben des Autors auf.
Mag sich auch mancherlei Einzelnes der Komposition verdanken, also
fiktiv sein, so bleibt doch der naive Blick des Kindes und Jugendlichen
auf das zeithistorische Umfeld authentisch.

 


Leseprobe:


Merkwürdige Stimmung. Man wusste nicht, was nun sein würde. Im
Radio hieß es, es gebe eine Übergangsregierung, Hitler verbrannt,
Goebbels mit seiner Familie im Selbstmord geendet. Ein Glück, dass man
nicht in russische Hände gefallen war, aber die Tschechen, was würden
die nun tun? Das eben war die Frage, und keiner konnte darauf eine
Antwort geben.
Überall sah man die neuen Soldaten. Die Mutter: Kein Wunder, dass die
den Krieg gewonnen haben, wie die genährt sind, seht euch ihre Hintern
an! Und sie, die Buben, gingen hin zu ihnen, versuchten, ihr bisschen
Englisch an den Mann zu bringen, verstanden aber nichts von dem, was
die da redeten, das war wie eine ganz fremde, rätselhafte Sprache. Und
sahen wieder schwarze Menschen, nun von ganz nah, und staunten sie an.
Da winkte ihm, Robert, einer von ihnen, ein ganz kohlrabenschwarzer,
und gab ihm ein Päckchen, auf dem stand Chewing gum, und der Bender,
der bei Lore immer eine Eins gehabt hatte, sagte, Kaugummi heißt das.
Der Schwarze lachte mit blitzend weißen Zähnen, die so besonders weiß
aussahen in dem schwarzen Gesicht, und sagte etwas und gestikulierte,
was heißen sollte: Mach es auf! Und er, Robert, öffnet das Päckchen,
verteilt die flachen Dinger, behält eines, wickelt es aus dem Papier
und dem Stanniol und steckt es in den Mund. Es schmeckte süß und stark
nach Pfefferminz. Wenn man darauf kaute, wurde es weich, man konnte
immerfort darauf kauen, es war weich und klebte nicht an den Zähnen,
ein seltsames, doch auch angenehmes Gefühl.
An Schule war nicht mehr zu denken. Wo mochte der Klier sein, der kein
Hitlerjugend-Führer mehr sein durfte, und der Eisenschink, der nun wohl
doch das Parteiabzeichen vom Revers genom-men hatte, und Lore, die
Rassenkundlerin, sie konnte an den Soldaten jetzt ihre Studien treiben.
Die Schule diente als Militärkaserne, überall wurden Wohnungen
requiriert für Soldaten, auch bei Georgis klopften sie an und nahmen
das obere Stockwerk in Beschlag. Er habe sich seltsamerweise nicht
verständigen können, erzählte der Doktor, und dabei unterrichte er doch
Englisch, aber die sprächen amerikanischen Slang, das sei kein
richtiges Englisch, außerdem hätte er immer die grammatischen Regeln
anwenden wollen, dafür hätten die aber keine Geduld gehabt. Bei seiner
Frau hingegen, die nur zwei Jahre Englisch in der Bürgerschule hatte,
bei der klappte es gut, die plapperte einfach los, ohne Regeln, aber
sie verständigte sich
.Dass ihn, Robert, das Englische auf einmal zu interessieren begann,
hatte damit zu tun, dass da Menschen waren, die es wirklich sprachen.
Gewiss, es war ein anderes Englisch als das, welches Lore sprach, wenn
sie ihnen einen Text diktierte, aber Englisch doch, und er spürte einen
starken Drang, diese bisher nur papierene Sprache näher kennen zu
lernen. Einmal versuchte er, mit einem Soldaten ins Gespräch zu kommen,
der neben seinem Panzer stand, und er sprach zu ihm den im Kopf
vorformulierten Satz in bestem Lore-Englisch: How many tons has it? Der
Soldat starrte ihn an, sagte What? Und als er noch einmal fragte How
many tons? drehte der sich wortlos um und ließ ihn ohne Antwort stehen.
Hatte er nicht verstanden oder wollte er mit diesem jungen Spion nichts
zu tun haben? Der Versuch entmutigte ihn nicht, verstärkte vielmehr in
ihm den Wunsch, diese Sprache zu erlernen. Aber wie? Es gab keinen, der
ihn hätte unterrichten können, also musste er die Sache selbst in die
Hand nehmen. Er besaß noch von der Schule her das zweisprachige
Wörterbuch, das konnte ihm helfen, und eines Tages gelang es ihm, eine
amerikanische Zeitschrift zu ergattern, die ein Soldat weggeworfen
hatte. Die trug er nach Hause wie einen Schatz.