Jenny Schon - Antwort einer Nachgeborenen auf das Sommergedicht „Juli“ von Erich Kästner zu seinem Todestag
Jenny Schon
Antwort einer Nachgeborenen auf das Sommergedicht „Juli“ von Erich Kästner zu seinem Todestag[i]
(23. Februar 1899 Dresden – 29. Juli 1974 München)
Verlorene Sommer
Auch ich traf noch die Blindschleiche auf der Wiese, die ich barfuß durchmaß beim Haschen nach flatterndem Feuerfalter und Schwalbenschwanz.
Ich hörte das Zirpen der Grillen und Brummen der Hummeln. Es war so heiß, das es langweilig wurde herumzuhüpfen, und ich mich auf einen Ameisenhügel setzte.
Als der Bauer das Korn gemäht und Strohgarben aufgestellt, kroch ich hinein und hörte fast lautlos das feine Sirren der Feldlerche und fernhin sah ich Rebhühner im Unterholz.
Wenn ich heute über Land fahre, mache ich keinen Halt bei lachenden Sonnenblumen, beim schwerterschwingenden Mais, zücke keinen Malstift beim bernsteinfarbenen Rapsfeld,
Biodiesel und Biogas verleiden mir die vermeintliche Schönheit, auch die Wiesen bei Bonn, die wankenden Nadelmoosteppiche, die ich mit Opa nach Blaubeeren und Pfifferlingen durchsuchte,
mussten auf der Hardthöhe weichen, auch wenn die Kriege heute andernorts entstehen. Jede Zeit hat ihre Zeit, Erich, und manch eine verlor im Heuschober ihre Unschuld.
[i] Der Juli
Still ruht die Stadt. Es wogt die Flur.
Die Menschheit geht auf Reisen
oder wandert sehr oder wandelt nur
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