Jenny Schon: Brot - Zum 70. Todestag des Schriftstellers Wolfgang Borchert

 

 

Jenny Schon

 

 

 

Brot

Zum 70. Todestag des Schriftstellers Wolfgang Borchert

(* 20. Mai 1921 in Hamburg; † 20. November 1947 in Basel)

 

 

Ich kannte das

Krieg Hunger

hatte mit den

Eltern Trümmer entsorgt

und Unkraut gejätet

Mit vierzehn war

ich erwachsen

nichts wurde mir erlassen

Ich musste arbeiten gehn

 

…und dann

eines Tages

war ich satt

durch meiner

Hände Arbeit

hatte ein Fahrrad

konnte die Welt

erkunden

und Bücher

kaufen

 

In Köln wurde

ich fündig

Ich fand deine

Brotkrumen

in der Buchhandlung

die den hungrigen

Mann verrieten

die der Frau

ihr Wissen bewahrten

ihren Respekt

ihr Geheimnis

 

 

Ich pflückte

deine traurigen Geranien

in den Bücherregalen

für den Mann

der nach Deutschland kommt

und draußen steht

vor der Tür

 

Er sieht

dass er kein Zuhause mehr hat

Da geht er in die Bücher

Ich fand ihn

und gab ihm eine

Heimstatt

in meinen Regalen…

 

Doch immer noch befehlen

jene die ihn wegschickten

Gewehre herzustellen

und Stahlhelme

Aber der Mann

sagt Nein

 

Sag Nein!

 

 

 

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„Du. Mann an der Maschine und Mann in der Werkstatt. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst keine Wasserrohre und keine Kochtöpfe mehr machen – sondern Stahlhelme und Maschinengewehre, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!“ Vermächtnis von Wolfgang Borchert.

"Brot" ist eine der bedeutendsten Erzählungen von W. Borchert.

"Traurige Geranien" heißt sein Nachlaßband.

"Draußen vor der Tür" ist  das bedeutendste deutsche Nachkriegsschauspiel,

am 21. November 1947  war die Uraufführung  in den Hamburger Kammerspielen,

es wird bis heute in vielen Theatern immer wieder gespielt.