Jenny Schon - Lyra (zum Welttag der Poesie)

Jenny Schon

Lyra
An die Musik
Zum Titelbild von Bettina Griefentrog
In: Jenny Schon, Zukunft atmen, geest Verlag, 2022


Zauberhafter Klang
Aus einem Gestern
Voller Wunder
Auf Kretas
Felsgestein tanzte
Ich in das Kreuz
Des Südens

Es war der große
Stern Hoffnung
Der mich begleitete
Das Jahr der Frau
Feiernd trug ich
Den Lorbeerkranz
Daphne jagte
Den Stier
Und wehrte sich
Gegen Apollons
Begierde

Auch in meinem
Eingesperrten
Westberlin hörte
Ich sphärische Klänge
Am Wannsee gegen
Unfreiheit und für
Toleranz erklang das
Lied an die Freude
Es schmolzen die
Brückenteile der
Trennung im
Preußischen Arkadien

Ich bin heimgekehrt
In den Garten der Kindheit
Lennés Gestaltungswillen
Folgend der Große Wagen
Am Firmament trägt das Heu
Für Pegasus auch ich
Kann fliegen auf den
Klängen der Lyra begleitet
Von den Singschwänen
An der Havel

Heimatland endlich
Ruhe ich im Park
Bei der Pyramide
Gleißender
Sonnenuntergang
Akkorde der Nachtigall
Ein ewiger Klang
Der Poesie


  Nach der klassischen Griechischen Auffassung ist die Lyrik die die Lyra begleitende Versdichtung.
1975 war das UNO-Jahr der Frau und ich verbrachte den Frühling auf Kreta. Ich war mit Auto und Hund unterwegs, schlief im Freien und war dem Himmel sehr nahe.
Berlin war damals noch durch eine Mauer geteilt in Ost und West. Ich lebte in Westberlin am Wannsee in der Nähe der Kleist-Gedenkstätte.
Die Mitte der Glienicker Brücke war die Grenze, hier wurden Spione ausgetauscht. Das die Brücke umgebende Gebiet mit seinen Parks und Schlössern incl. Sanssouci in Potsdam ist mittlerweile Weltkulturerbe.
Peter Joseph Lenné war im 19. Jhd. Gartengestalter im Schlosspark zu Brühl, wo ich großgeworden bin,  und in den Gärten in Preußen.
„Das ist ein sehr schönes Gedicht mit vielen Zeilen, die sofort Bilder in mir evozieren (ich war über Ostern in Griechenland…)
wie das Tanzen unterm „Kreuz des Südens“. Und da taucht auch das alte West-Berlin auf ...
Aber auch ein sehr melancholischer Text, in dem Du Dich schon im Andersleben, nicht mehr auf der Erde und doch im „Heimatland" beschreibst -?“ Tanja Dückers, Berlin, Schriftstellerin.