Jenny Schon - Vor 80 Jahren - Dresden 13. bis 15. Februar 1945

Jenny Schon

Vor 80 Jahren


Dresden
13. bis 15. Februar 1945

Höllenfeuer fällt vom Himmel
Inferno Tag und Nacht
Abertausende Tonnen
Sächsischer Barock bersten
Die Kuppel der Frauenkirche
Begräbt verkokelte Leichen

Flüchtlinge weggefegt
Vom Feuersturm
In der Elbe treiben
Menschenreste
namenlos
Kinderwagen
Leiterwagen
Die keine Hand mehr führt

Menschen haben die Steine
Gesammelt und zusammengefügt
Und eine neue Kirche gebaut
Ein toter Mensch fügt sich
In kein Neues




Dresden sommers 1945
Nach der Wilden Vertreibung

Es ist schon tragisch
Dresden verliert den Welterbetitel
Es hat eine neue Brücke
Canaletto würde sie sicher
Nicht malen…

Ich tapste mit meinen Beinchen
Sommers 45 auf aus Fugen
Gerissenem Geröll  
Stahlskelette spießten den Himmel
Die Toten waren bestattet

Meine Mutter war auf Suche
Nach Heimat ich hatte
Meinen Kinderwagen
Wir rollten über die Brücke
Die Elbe hatte kein Hochwasser

Viele Jahrzehnte später weint
Meine Mutter vor dem Fernseher
Alles verloren die armen
Menschen fliehen vor den
Elbefluten

Unsere neue Heimat ist trocken
Die Häuser unbeschädigt
Aber die Bilder von damals wüten in uns
Ich verkriech mich in mein Kissen
Aus dem Kinderwagen gerettet






Aus: Jenny Schon, endlich sterblich, Gedichte 2016, Geest Verlag