Katharina Broich - Ich lebe

KATHARINA BROICH, GREVENBROICH
Ich lebe.

Nicht wirklich.
Immer die gleichen Quadratmeter, immer die gleiche Welt.
Eine Aussicht, vier Jahreszeiten.
Ich lebe.

Wenig geschieht, wenig passiert.
Blauer Himmel, grauer Himmel.
Die Wand, ein tristes Gegenüber.
Kann nicht raus, nicht aus mir, nicht aus dem Haus.
Zeit rinnt. Zäh.
Die Tage wie Kaugummi.

Ich lebe.
In meiner Innenwelt.
Die Draußenwelt zieht ungesehen vorbei.
Selten habe ich teil.
Kleines Glück: die Meisen im Garten.

Ich lebe.
Es ist, wie es ist.
Eine leichte Schwere.
Eine schwere Leichtigkeit.
Schmerz, ein treuer Begleiter.

Ich lebe.
Atme, wie jeder andere.
Dafür danke ich.
Sonstige Selbstverständlichkeiten sind nicht selbstverständ-lich.
Unmachbar oder unter Mühen umsetzbar.

Ich lebe.
Im Netz, als Verbindung zur Welt.
Das Telefon, der Draht zum Leben jenseits dieser Mauern.
Unverständnis, ein ständiger Gegner.
„Warum kann du nicht?“, kann ich nicht mehr hören.

Ich lebe.
Stete Verständnissuche, die eine Frage:
„Warum?“
Ärzte geben Arztantworten.
Der Himmel schickt einen Sonnenstrahl.