Katharina Körting - Still leben?

Still leben?

Der Mond klebt sichelig hinterm See
Der Sohn sitzt zum Trost dabei
Die rauchige Stimme der Tischnachbarin
Wedelt Schwaden von Sätzen ins Ohr
Der Juli fühlt sich an wie August
Und der August wühlt wie Herbst
Als wäre die rosa geschnittene Wolke am Himmel
Eine Jahreszeitenscheide
Und die Liebe ein unspielbares Spiel
Bei dem man nicht mal verlieren kann

Die rauchige Nachbarin
Reckt ihr Telefon in den Himmel
Als würde sie Gott anrufen
Der Mond ist das Fotomotiv ihres Gebets
Der Sohn ging längst fort
Die Mutter sitzt still
Verlassen wie jede Frau
Die zum alten Eisen gehört
Ein rostiges Gefäß
Das überfließt wie eine Tränke
Die niemand mehr braucht
Nass und voll, abseits
Vom Begehren der andern
Die nicht die Schönheit lieben
Sondern das eigene Jungsein
In Ewigkeit

Doch die alten Weiden waschen wie je und eh
ihre Haare im See
Tränken sie
Treiben Lust
Aller Trauer zum Trotz