Kim Mathes berichtet über ihr Erlebniswochenende der ZNS Hannelore Kohl-Stiftung vom 26.-28. August 2011 in Hennef
Kim Mathes auf dem ,Erlebniswochenende“ der ZNS Hannelore Kohl-Stiftung vom 26.-28. August 2011 in Hennef - ein Bericht
Dieses Wochenende hat Menschen mit Schädelhirntrauma oder Hirnverletzungen wie Hirnblutungen oder Hirntumoren, wie mich, zusammengeführt. Mehr als 40 Schicksale in einem Raum – und man hat sich verstanden. Wir haben uns ausgetauscht, haben für zwei Tage miteinander gelebt und uns vertraut beim Klettern im Hochseilgarten. Alles in allem, trotz weniger Ausnahmen, eine tolle Erfahrung!
Was habe ich mitgenommen? Vor allem, das es sehr intensiv war. Und dass man nicht alleine ist! Die Schicksale und das Erlebte ähneln sich, der Austausch hilft einem Mut zu fassen. Die Gesprächsrunden zum Thema ,,Antriebslosigkeit und Angst“ oder ,,Beziehung und Behinderung“ haben mir gezeigt, dass sich jeder auf eine andere Art mit solchen Dingen auseinandersetzt, wir uns aber helfen können, in dem wir einander erzählen, wie wir es geschafft haben. Gerade Ausdrücke wie ,,leistungsgewandelt“ oder ,,erworbene Schädel-Hirnverletzung“ führen zu angeregten Diskussionen. Solche Ausdrücke seien neuerdings politisch korrekt – doch ganz ehrlich: Sollen wir uns hinter solchen Worten verstecken? Nur weil man sagt, man sei anders, haben wir letztendlich doch eine Behinderung. Und die muss man nicht verstecken.
So viele sehnen sich nach Zuneigung, nicht zwangsläufig einer Beziehung, aber nach Freundschaft und Verständnis. Dazu gehört nicht nur Barrierefreiheit, sondern vor allem Kontakt und Konfrontation, die zu positiven Ergebnissen führt.
Eine Hirnverletzung kann noch Jahrzehnte danach zu Einschränkungen der Belastungsfähigkeit, der Aufmerksamkeit, Mobilität oder Emotionalität führen. Gerade dann ist Einsicht und Verständnis notwendig von Seiten der Kollegen. Eine Frau hat mir erzählt, sie habe keine Freunde aus der Schule, denn diese seien neidisch gewesen, dass sie immer vorne sitzen durfte wegen den Nackenproblemen durch den Tumor. Das kann doch nicht wahr sein!
Lange wurde auch darüber geredet, dass das Festhalten am früheren Ich sehr hinderlich sein kann. Andere erwarten das, man selbst will unbedingt sein altes Leben zurück – aber das geht nicht mehr. Das bedeutet auf keinen Fall einen Rückschritt, sondern erfordert die Annahme der eigenen Situation und einen neuen Weg. Zwangsläufig müssen das auch unsere Freunde akzeptieren.
Deshalb gibt es solche Wochenenden, um sich auszutauschen und Mut zu sammeln auch wieder auf andere zu zugehen. Mein Buch ,,C 71,6 Diagnose Hirntumor“ wurde sehr gut angenommen, viele möchten es lesen. Auch die Stellen, die ich vorgelesen habe oder wenn ich erzählt habe, was mir passiert ist, haben immer wieder diese eine Reaktion hervorgerufen: ,,GENAUSO geht es mir auch.“
Vielen Dank an die ZNS Hannelore Kohl Stiftung für diese einmalige Möglichkeit Verbündete und vor allem Freunde zu finden!"
Kim Mathes
C 71,6
Diagnose Hirntumor
Geest-Verlag 2010
ISBN 978-3-86685-260-0
470 S. 14 Euro
C 71,6 Diagnose Hirntumor … 2009. Nach mehreren Fehldiagnosen offenbarte ein CT-Bild das Monster im Kopf der Autorin, die sich gerade im schriftlichen Abitur befindet. Es ist furchtbar so etwas zu hören, doch noch lange nicht das Ende. Operationen, Reha, Ärzte, Erwartungen, Hoffnungen, Enttäuschungen, Ängste, Glücksmomente – nicht allein für die Betroffene, auch für die Familie, die Freunde.
Dieses Buch handelt davon, wie es ist, alles zu verlieren, was einem wichtig ist. Wie es ist, in völliger Abhängigkeit wochenlang im Kranken-haus bleiben zu müssen. Wie es ist, monatelang gefangen zu sein in einem Körper, der nicht macht, was der Kopf sagt. Wie es ist, wenn man über Monate unter anderen Kranken und behinderten Menschen lebt. Wie es ist, wenn der beste Freund in der Reha verhaltensgestört ist und man der einzigen Freundin ins Hirn fassen kann.
Ein sehr privates Buch über die Gedanken und Emotionen einer jungen Frau – und die ihrer Mutter, deren Tagebucheinträge zwischen das Schreiben der Tochter eingefügt sind. Die radikale Offenheit in der Schilderung beider gibt anderen Menschen in vergleichbaren Situationen vielleicht das Gefühl, nicht allein zu sein mit ihren Empfindungen, kann ihnen helfen zu hoffen. Schließlich passieren solche Schicksale täglich, doch nicht jeder kann mitfühlen und nachvollziehen, wie so etwas ist.
Kim-Vanessa Mathes
geboren 1990. Sie lebt mit ihren Eltern, ihrem jüngeren Bruder und dem Kater Muffin in der Pfalz. Kreativ zu sein, zu malen, zu schreiben oder Gitarre zu spielen, gehörte untrennbar zu ihr. Damit war erst einmal Schluss, als 2009 die Diagnose Hirntumor ihr geplantes Leben zerstörte. In ihrem Buch beschreibt sie das eine Jahr nach der Diagnose Hirntumor.