Lausitzer Rundschau mit kritischer Würdigung von Barbe Maria Linkes Roman 'Moses - Ein Experiment'

Schuld aus Raum und Zeit gefallen
Barbe Maria Linke und ihr Buch "Moses – Ein Experiment" mit Lausitzer Flair

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Berlin Barbe Maria Linke ist in der DDR aufgewachsen und lebt in Berlin. Vor ihrem Theologiestudium hat sie eine Zeit lang in Spremberg gearbeitet. Überhaupt knüpfte sie Fäden in die Lausitz. So fand der Spreewald Eingang in ihren ersten Roman "Moses – Ein Experiment". Und der Kunstverein Hoyerswerda lud sie im Sommer ein, daraus zu lesen.
Schuld aus Raum und Zeit gefallen Barbe Maria Linke bei ihrer Lesung in Hoyerswerda.

Zugegeben, der Spreewald kommt erst ab der 300. Seite ins Spiel und stellt wohl eher so etwas wie einen Nebenarm der Handlung dar. Und doch trägt er seinen Teil zur Genesung der Romanheldin Kati bei, die in einen Strudel von Schuld und Sühne geraten ist. Katis Zustand ist wie die Landschaft, undurchsichtig und grasüberwachsen, heißt es darin.

Große Fragen bewegen die Autorin, die bislang mit Gedichten, Erzählungen und Essays an die Öffentlichkeit getreten ist.

Barbe Maria Linke studierte Theologie an der Humboldt-Universität Berlin, arbeitete in oppositionellen Gruppen in der DDR, war eine der Mitbegründerinnen der Gruppe Frauen für den Frieden. Im Jahre 1983 reiste sie nach Westberlin aus, wo sie in der Klinikseelsorge und in der politischen Bildung tätig war.

Die Fragen aber, die sie schon in der DDR beschäftigt hatten, ließen sie nicht los: (Un)Freiheit und Verantwortung, Schuld und Sühne, Grenzerfahrung und Überwindung. Sie werden nun in ihrem ersten Roman aufgeworfen.

Erzählt wird zunächst von Moses. Ein Mann, der uralte biblische Geschichte auf seinem Buckel trägt und plötzlich in der Gegenwart auftaucht. Der Prophet, aus Raum und Zeit gefallen, selbst mit Schuldgefühlen beladen, trifft (wohl nicht ganz zufällig) auf Kati, die Theologie studiert und immer geglaubt hat, sich mit Moses bestens auszukennen.

Aber dieser da entspricht so gar nicht dem Bild aus dem Alten Testament. Er ist ein Naturereignis, spürt Kati, als sie ihm im Flugzeug begegnet und ihn kurz entschlossen einlädt, bei ihr in Bern zu wohnen. Ihr gefällt dieser Typ. Ob er Prophet war oder nicht, interessiert sie nicht. Oder doch? Immerhin möchte sie von ihm erfahren: Hey, wie war das, Gott zu begegnen?

Moses indes ist neugierig auf die junge, sensible, engagierte Frau, die beim Schweizer Rundfunk arbeitet. Die möchte er kennenlernen. Und sie? Fühlt sich hin- und hergerissen zwischen Hugo, den sie bis dahin glaubte zu lieben, und Moses. Freundinnen rücken ihr auch ziemlich nahe. Obendrein hat sie noch ganz andere Sorgen: Da ist der Vater, dessen Vergangenheit einen langen Schatten wirft. Ein hoher Stasi-Offizier war er. Kati möchte wissen, was ihr Vater zu verantworten hatte in der untergegangenen DDR, in der sie sich auch an schöne Kindheitserlebnisse mit ihm erinnert. Und so macht sie sich ohne Hugo und Moses auf einen schweren Weg. Mithilfe ihrer Schweizer Redaktion findet sie Zugang zu den Akten ihres Vaters. Und stürzt in eine Situation, die ihr eigenes Leben bedroht.

Die Autorin gibt keine leichten Antworten auf die großen Fragen, die sie aufrührt. Sie fordert stattdessen einen mündigen Leser heraus, der sich damit auseinandersetzt, auch mit sich selbst. Ein Angebot, das nicht nur in Hoyerswerda schon vielfach angenommen wurde.

Barbe Maria Linke: "Moses – Ein Experiment". Geest-Verlag. 419 Seiten, 14,80 Euro