Lesermeinung zu Marinanne Pumbs 'Unter uns Pastorentöchtern ...'
Lesermeinung:
Zu: „Unter uns
Pastorentöchtern …“ von Marianne Pumb, Geest-Verlag
Eine öfter gebrauchte Redewendung, die auch unter Männern
schmunzelnd Gebrauch findet, drückt wohl immer auch etwas Intimeres aus, was
man sonst nicht so einfach dahersagen würde, leitet man so ein: „Also unter uns
Pastorentöchtern gesagt“.
Wer das leise-leicht erzählende Büchlein in sich aufgenommen
hat wird diese Redewendung zumindest eine Weile stecken lassen, denn hier geht
es substanziell nicht nur um zwei differierende Modelle von Pastorentochter.
Was hier scheinbar schlicht im Selbstverständnis eines Mädchens, einer
Heranwachsenden und einer willensstarken Frau erzählt wird, geht bisweilen an
die Nieren. Also es ist spannend. Wer so ohne erhobenen Zeigefinger ulkige und
quälende Kindheitserlebnisse zu Papier bringt ist noch nicht automatisch eine große
Schriftstellerin, doch gibt es Stellen hoher sprachlicher Verdichtungen, wenn z
B. das intime Liebesleben der einzelnen Körperglieder geschildert wird, da hat
die kleine Zehe mehr Autonomität als der Körper an dem sie hängt im DDR Staat.
Zufall? Nein. M. Pumb kommt ja von drei Gedichtbänden zum ersten Roman. Über
alle Maßen authentisch empfindet man beim Lesen selber die dargestellten Drangsalierungen
„des real existierenden DDR – Sozialismus“ und seiner Pein und ist dann
zugleich mit der Hauptakteurin wunderbar erleichtert durch ihren Trotz, durch
ihre Geistesblitze, den Mut zur Offenheit, ich behaupte auch ihr Gottvertrauen.
Wer leicht am Wasser baut, wird sicher nach dem Genuss dieser Lektüre zwei –
drei Wasserburgen mehr sein Eigen nennen und dennoch wird man am Ende heiter
aus dem Staatskindergarten entlassen, der alle seine Bürger als sein unmündiges
Eigentum und als Individuum für wertlos
erachtete und so behandelte.
Wer im goldenen Westen aufgewachsen ist (BRD), fern von dem
leben im Arbeiter – und Bauernstaat und wer in der DDR auf der, nach diesem Buch möchte man fast sagen
langweilig angepassten Seite des Lebens stand, also irgendwo „da oben“, der erfährt hier unheimlich viel mehr vom
wirklichen Leben (zwischen Friedland - Neustrelitz - und Berlin) damals und
heute.
„Unter uns Pastorentöchtern …“ sagt das unsagbare Unerhörte
des Alltags in der Diktatur.
Wilfried Baganz
17235 Neustrelitz
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