Markus Fegers - Pink Lady
Pink Lady
Ich hatte den gesamten Wochenmarkt abgelaufen auf der Suche nach einer bestimmten, besonders süßen Apfelsorte, die als must have auf meinem Einkaufszettel vermerkt war.
Erfolglos.
Sollte ich tatsächlich mit leeren Händen fahren und den nächsten Discounter aufsuchen müssen? Nein. Lieber ein Wagnis eingehen. Also trat ich an den Stand eines Obstbauern,
bei dem ich eigentlich nie kaufe, auch wenn er stets gut sortiert ist, deutete auf eine große Stiege voller Äpfel und fragte die Bedienung, eine kräftige junge Frau mit gelbem Kopftuch: „Gibt es diese ‚Pink Ladies‘ da auch in Rot?“
Die Frau blitzte mich aus veilchenblauen Augen an, hob eine Braue und sofort war klar,
dass sie meine Frage als plumpe Albernheit, nicht als Wortwitz verstanden hatte.
Peinlich.
„Könnten Sie mir sechs besonders rote Äpfel heraussuchen?“, konkretisierte ich. „Rot gleich süß, oder?“
„Diese Sorte ist süß und herzhaft zugleich“, erklärte sie mit einem hübschen osteuropäischen
Akzent, Polen vielleicht, Litauen oder Ukraine. „Möchten Sie probieren?“
Ich schüttelte den Kopf. „Danke, nicht nötig. Ist eh nicht für mich. Ein Kauf im Auftrag, wenn Sie verstehen ...“
Sie nickte. „Sechs, sagten Sie?“
„Vier“, korrigierte ich. „Ich glaube, das reicht für heute. Als Test.“
Wieder nickte sie, nahm einen großen Apfel aus der Stiege und präsentierte ihn mir, nachdem er eingehend gedreht, gewendet und begutachtet worden war. „Rot genug?“
„Perfekt“, sagte ich. „Absolut. Sie heißen nicht zufällig Eva? Weil: Sie wissen schon – das Paradies, Eva und der Apfel …“
Eine erneute Albernheit, die sie gnädig ignorierte: „Möchten Sie eine Tüte?“
„Nein.“ Ich hob meinen bereits gut gefüllten Einkaufskorb.
„Sehr umweltbewusst.“ Sie legte sorgsam vier ausgesprochen schöne Äpfel hinein. „Haben Sie sonst noch einen Wunsch?“
„Danke.“ Ich schüttelte den Kopf und zog einen Geldschein aus meinem Portemonnaie.
„Der würde aber für deutlich mehr Obst reichen“, lächelte die junge Frau.
„Stimmt. Aber heute – wie gesagt …“
„Schade.“ Sie zuckte die Achseln, kramte in der offenen Kasse nach Wechselgeld und reichte es mir. Eine Kupfermünze hüpfte hurtig von meiner Handfläche und flüchtete in die nächste Obstkiste.
„Upps!“, sagte ich. „Mitten hinein in die Pflaumen!“
„So grün sind unsere Pflaumen nicht“, grinste die Bedienung. „Die grünen Dinger vor Ihnen heißen Birnen!“
Ich fühlte meine Ohren rot werden. Versprecher oder Wortfindungsstörung?
„Sicher doch“, beeilte ich mich zu sagen. „Klar!“
Die junge Frau (ihr Nagellack hatte exakt die Farbe ihres Kopftuchs, wie mir jetzt auffiel) griff in die Kiste, suchte darin herum und zog schließlich die Münze heraus.
Ein Glückscent.
„Bitte“, sagte sie und fügte hinzu: „Unsere Pflaumen sind übrigens frisch gepflückt. Gestern Abend. Absolut reif, süß-sauer und perfekt zum Backen. Möchten Sie nicht doch …?“
Ihr Akzent war wirklich reizvoll und hätte mich beinahe überzeugt. Beinahe.
„Nächste Woche vielleicht“, sagte ich schnell und machte, dass ich davonkam.
Im Weggehen hörte ich sie mir noch hinterherrufen: „Hoffentlich!“
Ja, dachte ich, warum nicht?