NOZ berichtet über Lesung von Volker Issmer im Remarque-Zentrum

Verdrängen hilft nicht

Osnabrücker Volker Issmer stellt Geschichten aus dem Dritten Reich vor

 

Osnabrück. Wie kann man die Nazi-Verbrechen heute angemessen thematisieren? Der Autor Volker Issmer hat 2011 das Buch „Fremde Zeit – unsere Zeit“ veröffentlicht mit Geschichten aus der Zeit des Nationalsozialismus, deren historische Bezüge im Raum Osnabrück verortet sind.

 
Nazi-Verbrechen als Thema: Beatrice le Coutre-Bick, Leiterin des Literaturbüros Westniedersachsen, Martin Siemsen, Mitarbeiter des Remarque-Friedenszentrums, Karin Jabs-Kiesler und Autor Volker Issmer. Foto: Gert Westdörp

 

Die Sammlung soll gerade jüngeren Menschen den Schrecken der nationalsozialistischen Zeit vor Augen führen. Am Dienstagabend hat der Historiker im Erich-Maria-Remarque-Friedenszentrum sein aktuelles Werk vorgestellt.

„Das ist eine bemerkenswerte Sammlung von Erzählungen, die großes Einfühlungsvermögen beweisen“, sagte Bürgermeisterin Karin Jabs-Kiesler in ihrer Begrüßung vor knapp 40 überwiegend älteren Zuhörern. Sie hatte die Einleitung zu „Fremde Zeit – unsere Zeit“ geschrieben. „Ich höre oft, dass die NS-Diktatur hinreichend behandelt worden ist und man den Blick nach vorn richten müsse.“ Doch gerade auch die jüngsten Pannen in der Aufarbeitung des Terrors der rechtsextremen Zwickauer Zelle zeigten, dass neue Zugänge zum Thema notwendig seien. Einen solchen liefere das Buch. „Es geht nicht um Schuldzuweisung, sondern darum klarzustellen, dass Verdrängen und Vertuschen nicht weiterhelfen“, sagte Jabs-Kiesler.

Bei der vom Literaturbüro Westniedersachsen gemeinsam mit dem Friedenszentrum und der Erich-Maria-Remarque-Gesellschaft veranstalteten Lesung trug Issmer drei Erzählungen vor. Eine Geschichte handelt von einem Paar, das 1944 in einem deutschen Lager sein Neugeborenes verliert und an der menschenunwürdigen Behandlung mit Zwangsarbeit, Trennung und Haft zu zerbrechen droht. Den Hintergrund für die fiktive Erzählung bildet das dokumentierte Schicksal eines französischen Paars im damaligen Lager „Fernblick“ am Hauswörmannsweg und im sogenannten „Arbeitserziehungslager“ in Ohrbeck.

Grausame Hatz

Issmer entwickelte diesen und viele seiner weiteren Texte auf der Grundlage von realen Karteikarteneinträgen der Gestapo. Die Vorlage für das „Kinderlied“ wiederum liefern die Schilderungen eines Augenzeugen, der während des Zweiten Weltkriegs als kleiner Junge hinterm Zaun des Lagers Ohrbeck saß und dabei zusah, wie Zwangsarbeiter über den Hof gejagt und bei Anzeichen von Schwäche niedergeknüppelt wurden. „Damit ihr nicht glaubt, ihr seid im Erholungsheim, zeigen wir euch Ausländern, was in Deutschland arbeiten heißt“, kommentiert ein Aufseher in Issmers Buch zynisch die grausame Hatz.

„Was passiert bei der Aufarbeitung dieser abscheulichen Ereignisse eigentlich mit Ihnen?“, wandte sich Beatrice le Coutre-Bick, Leiterin des Literaturbüros, abschließend an den Autor. „Manchmal geht’s mir nicht so gut. Das nimmt einen schon mit“, antwortete Issmer.

Seit 20 Jahren forscht er zur Zwangsarbeit während des Zweiten Weltkriegs speziell im Raum Osnabrück. Nach einer letzten Dokumentation soll damit 2013 Schluss sein, auch aus Rücksicht auf die Familie. „Das Thema soll nicht den Rest meines Lebens mitbestimmen“, erklärte der Historiker abschließend.