NWZ mit Vorbericht über Andreas Rüßbülts - Gefangen in seiner Zeit'

Von der Schuld des Heinrich Cohrs

 

Andreas Rüßbült verfasst seinen ersten Roman – Geschichte spielt in Brake in der Nazi-Zeit

http://www.nwzonline.de/wesermarsch/kultur/von-der-schuld-des-heinrich-cohrs_a_2,0,1909156037.html

Ohne Mühe fand der 51-jährige Braker einen Verlag. Ende März wird das 440 Seiten starke Buch über einen Mitläufer, der erst spät seinen Irrtum erkennt, erscheinen.

Detlef Glückselig
 

Brake „Sind die Braunhemden denn so schlimm?“, lässt Andreas Rüßbült seinen Protagonisten in einer Szene fragen. „Mehr als das, mein Junge“, antwortet Heinrichs Vater, ein Weserfischer und aktiver Sozialdemokrat.

Heinrich Cohrs, ein Braker Bursche, ist 15 Jahre jung, als die Geschichte im Jahr 1931 beginnt. Auf rund 440 Seiten begleitet ihn der Leser durch die folgenden 19 Jahre. Es ist eine fiktive Geschichte, in der es um das Wegschauen geht, um einen Mitläufer, der erst spät erkennt, dass er auf dem falschen Weg ist. Und es ist eine Geschichte, in der der Leser immer wieder mit der Frage konfrontiert wird, wie er sich selbst verhalten hätte.

Gegen das Vergessen

„Gefangen in seiner Zeit“ lautet der von dem Braker Andreas Rüßbült verfasste Roman, der in Kürze erscheinen wird. Es ist Rüßbülts Debüt. Den 51-Jährige, der bei der Straßenmeisterei in Nordenham tätig ist, bewegt schon seit vielen Jahren die Frage, wie es dazu kommen konnte, dass ein Volk ein anderes auszurotten versucht hat. Dieser Frage ist er nun literarisch auf den Grund gegangen – ganz bewusst in Romanform.

Rüßbült möchte dazu beitragen, dass die schrecklichen Ereignisse aus der Nazi-Zeit nicht in Vergessenheit geraten. Er glaubt, dass dafür eine lockere und unkomplizierte Erzählform der beste Weg ist. Deshalb hat er einen Roman mit einer fiktiven Handlung geschrieben und einen Protagonisten kreiert, der sich einfach ausdrückt. Das Buch ist in der Ich-Form verfasst.

Heinrich Cohrs ist ein stiller, aber aufmerksamer junger Mann. Es entgeht ihm nicht, dass sich die Welt um ihn herum verändert. Doch er tut nichts dagegen. Im Gegenteil: Heinrich schließt sich der HJ an, steigt bald zum Gebietsführer auf und nimmt sogar einen Lehrauftrag an, um das braune Gedankengut in die Braker Schulen zu tragen. Erst spät erkennt er, auf welch falschem Weg er ist.

„Einer von uns“

„Heinrich macht Fehler, er lädt Schuld auf sich. Warum ist er einem trotzdem so sympathisch?“, fragt Autor Rüßbült – und gibt gleich selbst die Antwort darauf: „Weil er einer von uns ist.“

Dieses Gefühl hatte beim Lesen des Manuskripts auch Alfred Büngen, Leiter des bei Vechta ansässigen Geest-Verlags, in dem Andreas Rüßbülts Buch jetzt erscheint. Der Autor entwickele seine fiktive Figur „derart überzeugend, dass man der Meinung ist, dass es diesen Heinrich Cohrs wirklich gegeben hat“, schreibt Alfred Büngen in einem literarischen Gutachten über das Buch. Büngen war auf den Braker durch das Wesermarsch-Lesebuch „Wenden“ aufmerksam geworden, für das Rüßbült einen Auszug aus seiner Geschichte über Heinrich Cohrs beigesteuert hatte.

Rüßbült verfügt selbst über viel Literatur über die Zeit des Nationalsozialismus. Er hat im Internet recherchiert. Und er hat vor allem immer wieder älteren Verwandten, Freunden und Bekannten zugehört, wenn die ihre Erinnerungen an die Nazi-Zeit erzählen. Die literarische Umsetzung dieser Geschichten ist Rüßbült offenkundig gelungen.

Verleger Büngen jedenfalls verteilt auch in dieser Hinsicht viel Lob: Andreas Rüßbült gelinge „ein Werk, das über die Entwicklung des Nationalsozialismus und der Menschen in der Wesermarsch mehr transportiert als manch sozialwissenschaftliche Darstellung“.