Olaf Bröcker, Mut

Olaf Bröcker, Vechta
Mut


Augen werden langsam ruhig,
langsam still,
hören auf zu wandern,
ungeduldig warte ich, denn ich will
die nächste Schlacht,
den nächsten Kampf,
den nächsten Einsatz für die andern.

Laufe durch die Straßen, sehe
eine Gruppe von drei Kleinen,
kann es bald nicht fassen, gehe
hin, das eine will jetzt weinen.
Rufe laut: „Hey, war‘s das jetzt?“
Und da alle zu mir schauen,
bricht der Kleinste durch die Sperre,
läuft nach Hause, ins Vertrauen,
und die Großen glotzen starr,
dass ein Mensch so mutig war.

Augen werden langsam ruhig …


Alte Frau im Supermarkt
schleppt sich zu den Gurken hin,
setzt die Füße kaum mit Abstand,
lässt im Korb die Börse drin.
Da, zwei Hünen, beide Bart,
greifen zu und wollen fliehen,
sehen mich ganz nahe kommen,
ohne Geld sie sich verziehen,
gucken noch zurück, ganz starr,
dass ein Mensch so mutig war.

Augen werden langsam ruhig …

Sie sind fünf, mit Hakenkreuz
auf der Jacke, voller Zorn,
stoßen eine Frau herum,
schwarzes Haar, doch hier gebor‘n,
doch ich rufe laut und grell,
als die fünfe zu mir schauen
und mich drohend alle mustern,
ist sie keuchend abgehauen,
doch die Welpen stehen starr,
dass ein Mensch so mutig war.

Augen werden langsam ruhig …

Steht am Schulzaun und gibt Tütchen
an die Kinder, schaut sich um
und kassiert die kleinen Scheine,
zwanzig steh‘n um ihn herum.
Als ich nach den Tütchen greife,
lässt er fall‘n den letzten Schein,
schiebt sich durch die Gruppe, seine
Faust bricht mir das Nasenbein.
Und der Arzt, der nickt nur starr,
dass ein Mensch so mutig war.

Augen werden langsam ruhig …

Vor dem Kaufhaus gibt es Schreie
und ein Stöhnen, gar nicht gut,
er steht da mit der Machete,
vor ihm drei in ihrem Blut.
G‘rad will er nen Vierten spießen,
ich reiß‘ ihm den Arm herab,
Klinge trifft mein Bein, da fällt er,
wird gehalten, das war knapp!
Auf Visite steh‘n sie starr,
dass ein Mensch so mutig war.

Augen werden langsam ruhig …

Warte auf die Bahn nach „Mitte“,
da steht er, direkt am Rand,
Bombe um den Bauch gewickelt,
Zünderknopf in seiner Hand.
Spring ihn an, wir beide fallen,
er brüllt auf, versteh‘ kein Wort,
Bahn fährt ein, ein Blitz, ein Schreien,
dunkler Tunnel, Licht weit fort.
Die Passanten schauen starr,
dass ein Mensch so mutig war.

Augen werden langsam ruhig …

Augen klappen langsam auf,
leis und sacht,
bin allein,
freu mich auf die nächste Nacht,
schleiche durch
den dunklen Tag,
nachts werd‘ ich bewundert sein!