Papierserviettenprojekt der Erich Kästner-Gesamtschule geht in die nächste PHase / Mittwoch Besprechung in Essen

 Zu einem Arbeitstreffen über das Papierserviettenprojekt kommt es am kommendne Mittwoch, den 17. September in der Erich Kästner -Gesamtschule mit Peter Gutsche und Arthur Nickel. Die Produktion der Texte ist weitegehnd abgeschlossen, sodass nun in die Produktion des Projektes gegangen werden kann.

Mehr Infos zum Papierserviettenprojekt gibt es hier.

 

 

Cary S. Leibowitz, „Serviette“, Multiple, 1993

Projekt der Erich Kästner-Gesamtschule in Essen

 

Als Schule den programmatischen Auftrag zu erfüllen,
eine
"Schule ohne Rassismus - Schule
mit Courage"
zu sein; verpflichtet
nicht nur zum Rückblick auf Projekte, die Themen wie
"Demokratiekompetenz", "Toleranz-:­ Bildung" und
"Rassismus" offen und klar reflektieren und begründet in das
Schulleben und Schülerinnen- und Schülerleben integrieren. Vielmehr
verpflichtet eine solche Auszeichnung auch zum Ausblick auf die immer wieder
einzulösende Berechtigung, einen solchen Titel führen zu dürfen. Eine solch
programmatisch integrierte politische Bildungsarbeit bringt immer mit zum
Ausdruck, dass Themen wie "Rassismus", "Zivilcourage" und
"Fremdenfeindlichkeit als Fakten des soziokulturellen Umfeldes einer
Schule nach innen wie nach außen anzuerkennen sind.

Eine einfache Serviette nun zum Anlass zu nehmen, sich
bewusst danach zu fragen, was Menschen allesamt sich vor Augen führen müssen;
um tatsächlich aufgeklärt sich und anderen ihre Position innerhalb einer
Gesellschaft zuzuerkennen, mag auf den ersten Blick verwundern; zumal die
"Serviette" nichts anderes sein will als das, was sie ist: Eine
einfache, maschinell vervielfältigte Serviette. Verfolgt man den spiralförmlg
und scheinbar hand­schriftlich aufgebrachten Satz, der sich bis zum Begriff des
Rassismus nach innen windet, so ist man längst Teil der durch Cary S. Leibowitz
entwickelten Idee der Selbstspiegelung und der vorbehaltlosen Selbstbefragung.
Obgleich der Satz weniger als sprachliche Abfolge denn als Grafik erscheint (in
Orientierung an Joseph Beuys, wonach jedes Schreiben Zeichnen sei),
identifiziert sich der Leser formal wie inhaltlich mit dem angesprochenen
Ich" und verfolgt somit den oftmals nicht bewusst wahrgenommenen Ursprung
eigener Rassismen und Intoleranzen. Diese erwischen ihn genau da, wo er sie
nicht vermutet hätte: Das eigene Ich und noch viel mehr der eigene Mund stehen
im Zentrum dieser Arbeit; ein Mund
1 der
sich mehr als einmal beschmutzt hat,
 der mehr als einmal nicht achtsam war und den mehr als
einmal latente oder offene rassistische Äußerungen verlassen haben. Leibowitz
gibt uns eine Serviette,
um sie uns sofort
wieder zu nehmen, denn mit der peinlichen Selbstoffenbarung, oft genug eben
nicht tolerant zu sprechen, lässt er uns im entscheidenden Moment der
Selbsterkenntnis alleine; lässt uns gewissermaßen beschmutzt. Der in New York
lebende Künstler verlebendigt - frei von jeder moralischen Anhöhe - den
Anspruch, zu allererst sich selbst in das Zentrum der Perspektive zu stellen,
von der aus man von Werten wie "Toleranz", "Akzeptanz" und
"Humanität" sprechen kann und sollte. Gleich zweimal stolpert man in
dieses sich so beiläufig gebende Multiple; erst stolpert man über die Frage
nach dem eigenen Gewicht, dann stolpert man über die Frage nach dem eigenen
Rassismus. Das, was die "Serviette" einfordert, zweierlei im Auge
behalten zu wollen, erfüllt sich im durch die Spirale provozierten
Entschlüsseln der Arbeit.

Genau diesen Ansatz einer selbstkritischen Spiegelung
soll ein Projekt, das die "Serviette' zum Anlass für Reflexionen und
Aktivitäten hinsichtlich politischer Bildungsarbeit nimmt, einbringen: Die
notwendige Frage nach jedem von uns, der wir als Schüler wie als Lehrer
anerkennen müssen (und zwar für den "Rest [unseres] Lebens"), dass
wir nicht selten den eigenen "Rassismus" nicht mehr im Auge behalten
haben. Es handelt sich also um eine Serviette, die weniger den Mund reinigt als
die Augen öffnet.

 

Peter Gutsche