Presseinfo: Wendelin Mangold: Sprung ins Wasser

Sich aus dem Schatten des Gestrigen wagen
Wendelin Mangold legt wichtigen Gedicht- und Textband über die Integration vor

Wendelin Mangold
Sprung ins Wasser
Integration -
Gedichte und Texte
Geest-Verlag 2011
ISBN 978-3-86685-290-7
12 Euro

Mangolds Texte  bereiten für den bundesdeutschen Leser und auch für die Betroffenen die Problemstellungen des Migrationsprozesses der Russlanddeutschen in literarisch verdichteter und zugleich feinfühliger Weise auf.
Natürlich weiß der Autor sehr genau, wovon er spricht, ist er doch schließlich selbst in doppelter Weise betroffen. Er selbst ist Spätaussiedler und war zudem viele Jahre in der Betreuung der Aussiedler tätig.
In insgesamt sechs Kapiteln bereitet Mangold die Problemlage der Spätaussiedler feinfühlig und auf einem bemerkenswert hohen sprachlichen und handwerklichen Niveau auf. Das Einleitungskapitel „Hier“ gibt uns differenzierte Einblicke in die Gefühlswelt der Angekommenen in der Bundesrepublik. „Fett ist die Milch. / Frisch ist das Brot. / Trotzdem / Sind alle ir-gendwie tot.“ Wie könnte man eindringlicher die Kälte beschreiben, die „die Ahnungslosen“ bei ihrer Übersiedlung in die Bundesrepublik empfängt. Niemand hat sie gerufen „Zum Essen // Vom hiesigen Kuchen“. Ihre Hoffnungen, Wünsche und Träume zerplatzen rasch, ihr Selbstwertgefühl degradiert zu einem „Personalpronomen“, wie dieses drohen sie „gesichtslos“ zu „Verkümmern“, sie fühlen sich als Zugvögel zwischen den Welten, als „Zwilling“.
Von der neuen Heimat weitgehend unbeachtet und unberücksichtigt, musste von den Aussiedlern die Aufarbeitung der Problemlage der Unterdrückung und Ausgrenzung in der sowjetischen Gesellschaft durchgeführt werden. „Dort“ benennt Mangold dieses Ka-pitel, und zeigt bereits in der Formulierung gegenüber anderen russlanddeutschen Autoren die Grenzziehung des Vergangenen deutlich an, ‚verkommt’ nicht in einer endlosen Leidenskultur, da er stets das Heute, Gestern und Morgen in Verbindung bringt.
Die ganze Breite und Tiefe seiner faszinierenden Sprach- und Symbolkraft bietet der Autor dann auf, um die Problemstellung der Angekommenen im dritten Kapitel in die lyrische Sprache zu transformieren. Allein das Vorhaben, sich der aktuellen Problemlage zu stellen, dem viele russlanddeutsche Autoren ausweichen, verdient schon ein besonderes Lob, die emotionale Feinfühligkeit des Erfassens und Darstellens erhebt die Lyrik dieses Kapitels sicherlich in den Stand der aus der Geschichte der russlanddeutschen, aber auch bundesdeutschen Literatur nicht mehr fortzudenkenden Gedichte. „Bei hohem Wellengang / Meiner dunklen Seele, / Schwimmt nicht selten / Eine Angstleiche hoch – / Und ich habe große Mühe, / Sie wieder umzubetten.“
„Angelehnt“, so der Titel des vierten Kapitels, setzt diese Gefühlslage der Angekommenen in der Auseinandersetzung mit den Gedanken bedeutender Denker und Literaten fort, demonstriert zudem die literarisch-philosophische Kompetenz Mangolds. Eine für die russlanddeutsche Literatur typische Hinwendung zum Humor findet sich im fünften Kapitel. Fast scheint es, dass spezifische Problemstellungen nur mittels Witz und ironischer Brechung zu bewältigen sind. Mangold verlässt in diesem Kapitel nie den Pfad des Hintergründigen, gleitet niemals in das oberflächlich Verletzende ab. Die humoreske Ebene der russlanddeutschen Literatur findet hier eine wichtige lyrische Ausformung.
Das abschließende Kapitel nimmt Gefühle und Gedanken der Angekommenen neu auf und verarbeitet sie in postmodernen Formen der Poesie. Sie geben Zeugnis davon, welches breite formale Spektrum der Autor mit poetischer Leichtigkeit beherrscht.
Insgesamt also ein Band, der in seiner Bedeutung nicht allein für die russlanddeutsche Literaturentwicklung gar nicht hoch genug einzuschätzen ist. Er schafft auf lyrischem Weg – welch literarisches Genre kann die emotionale Vielschichtigkeit der Problematik besser einfangen – Einsichten, dass der Integrationsprozess der russlanddeutschen Bevölkerungsgruppe in der Bundesrepublik ein mit hoher Sensibilität voranzutreibender ist, aber auch die eindeutige Notwendigkeit des Vorantreibens, des ‚Nicht-Verharrens’. Mangolds Lyrik wagt sich heraus aus dem Schatten des Gestrigen, setzt neue Akzente weit über den Rahmen der russlanddeutschen Literatur hinaus.
Über den Autor:
Wendelin Mangold wurde in der ehemaligen Sowjetunion geboren, wo er gelebt, gearbeitet, studiert und viele Jahre danach Deutschlehrer ausgebildet hatte, bis er 1990 nach Deutschland übersiedelte und anschließend 17 Jahre bei der Seelsorge für Spätaussiedler als Sozialarbeiter tätig war. Seine besondere Begabung, kreativ, wortwitzig und originell zu schreiben und sich sprachlich, inhaltlich und formbewusst auszudrücken, macht den Reiz seiner poetischen Texte aus.

 

Das Buch wird ab Ende Mai überall bestellbar sein.