Sigune Schnabel - Lied der Enkel

Lied der Enkel

Ich lasse dir alle Bäume,
will auch das Gras nicht für mich.

Nichts nehme ich dir,
nicht die Wälder,
nicht den müden Gang.

Tief in der Erde träumt
Großvater vom Schnee
in einem anderen Land.
Seine Schuhe haben Löcher
und er kennt alle zwölf Gesänge
der Kälte. Einen trägt er morgens
auf der Zunge, einen weiteren in den Sohlen.
Den dritten überlässt er den Birken.

Weiß füttern die Astgabeln
einen neuen Tag.
Da gibt es noch Bilder
und felsige Kinder.
Sie drängen ins Grab.

Sag, was hat die Landschaft dir getan.
Ich lasse dir jeden Platz
in meinem Kopf.
Wir sitzen am Weiher,
aber du kennst mich nicht.

 

aus ihrem neuen Lyrikand: Die Zeit hat ihre Farbe verloren