Thalia-Anna Hampf - Ein ganzes Glas voll

Thalia-Anna Hampf

Ein ganzes Glas voll

Mein Getränk schmeckt nach vergangenen Sommernächten und die Luft riecht so sehr da-nach, dass ich lieber fröstle, anstatt mir ein La-gerfeuer anzuzünden. Ich wiege mich hin und her und die Dunkelheit schwenkt in meiner Brust, wie ein guter Wein. Vielleicht ist mein Herz ein bisschen betrunken, aber vielleicht er-innert es sich auch nur daran, wie es Seil-springen war, wenn ich dich zwischen all den Schatten erahnen konnte. Dein Mund hat mir Geschichten erzählt und meiner hat darauf ge-antwortet, ohne wirklich ein Wort verstanden zu haben. Am liebsten wären wir uns näher-gekommen, aber wir waren uns nicht sicher, ob es in Ordnung ist, keinen Platz zwischen unse-ren Lippen zu lassen. Meine Beine haben manchmal das Laufen verlernt, wenn du zuge-sehen hast und ich war dankbar für das Abend-licht, das meine roten Wangen überschminkt hat. Sogar der Mond hat Bauchkribbeln be-kommen und all seine Sterne an den Himmel gepinnt. Der Löwenzahn hat darüber gelacht, wie sehr man umeinander herumtanzen kann, ohne sich dabei auf die Füße zu treten. Mein Ge-tränk ist nur noch ein Schluck und ich habe Angst, das Letzte, was mir von den Sommer-nächten bleibt, mit ihm herunterzuspülen. Ein neuer Sommer schaut durch mein Fenster hin-ein und du bist immer noch hier, obwohl ich es gewagt habe, zu blinzeln. Du nimmst mein Glas und füllst es auf. Wir nehmen beide einen gro-ßen Schluck und es schmeckt fast noch besser als letztes Jahr.