VICTORIA PAVOT, Love Like Blood

VICTORIA PAVOT, ESSEN
Love Like Blood

Der Beat vibriert in meinen Ohren und unter meinen Füßen auf dem leicht klebrigen Boden, ich tanze, boxe in die Luft, vergesse den Alltag, die Monotonie und Routine, alles löst sich in den Lichtern auf, ich bin Musik, Rausch und Moment. Meine Perücke mit den weißen Haaren sitzt perfekt, eine übertriebene stachelige Haarspangenmasse hält sie fest. Der Lidstrich hält ebenfalls, ich fühle mich attraktiv und der Sekt prickelt ein Lied in meinen fast leeren Magen, ich blicke nach oben, die ersten Töne von „Love Like Blood“ ertönen, ich lasse mich in den repetitiven Refrain fallen, vollführe dramatische Armbewegungen, wünsche mir, dass der Abend ganz einfach nicht vergeht, die Lichter weiter flackern und ich eine versun-kene Tänzerin bleibe. Rausch und Moment.
Jemand berührt meine Schulter. Ich drehe mich um. „Hi“, sagt die Frau, „ich wollte dir sagen, dass ich dich voll oft hier gese-hen habe und es soooo toll finde, dass du trotz deiner Behinderung tanzt!“
Ich nehme einen Schluck Sekt, schwenke den anderen Arm dramatisch. Sage nichts. Lasse sie einfach stehen. Und gehe einfach weiter tanzen. Love Like Blood. Mitleid like nicht nötig. Die Haare halten, die Nacht verschluckt das vergiftete Kompliment. Ich bin Rausch und Moment. Eine ewige Tänzerin. Und nichts hält mich auf.