Wendelin Mangold: Eifersüchtiger Müllcontainer
EIFERSÜCHTIGER MÜLLCONTAINER
Wenn ich höre, dass ihr klagt, ihr müsst viel schlucken, muss ich lachen. Was muss ich nicht alles schlucken! Das ganze Leben lang. Und was! Essensreste, Schalen, vergammeltes Brot, Lebensmittel abgelaufenen Verfalldatums. Daher mein übler Mundgeruch. Öffnet jemand meinen Oberkiefer, um den gefüllten Müllbeutel einzuwerfen, weicht er angewidert zurück. Wes Wunder bei solcher Nahrung! Bin ich überfüllt, krieg ich nicht mehr den Mund zu, und Müllbeutel lugen dann aus meiner Lade hervor. Endlich kommt der Tag der Müllabfuhr, gewöhnlich am Donnerstag, dann werde ich an den Wegrand auf meinen kurzen Beinchen mühevoll gekarrt. Die Müllmänner behandeln mich geschickt, aber nicht besonders zimperlich, vergleichbar mit eurem Rettungsdienst. Ich werde hoch gehoben, umgedreht. Endlich kotze ich meinen Magen leer ins Autoinnere, aus dem es fürchterlich mir entgegen stinkt. Zum Ersticken widerlich!
Entleert geht es mir nun besser, und ich werde leichten Fußes auf meinen Platz geschoben. Neben die Papiertonne. Eine saubere blaue schlanke Tonne. Ich habe mich in sie verguckt. Sie wird im Unterschied zu mir mit Zeitungen, Zeitschriften, geöffneter und ungeöffneter Infopost und alten Büchern gespeist. Muss die belesen sein! Womöglich sogar eingebildet - nicht ausgeschlossen. Ich wage es nicht einmal, den Mund aufzumachen wegen dem besagten Geruch. Ich armer Schmutzfink! Auch wird sie nur einmal monatlich entleert. Mir scheint, die Müllmänner gehen mit ihr liebevoll um. Oder bin ich bloß eifersüchtig?