Weserkurier berichtet über den Vortag von Marianne Brentzel über Else Ury

Dortmunder Schriftstellerin Marianne Brentzel gewährt Einblicke in die Biografie Else Urys

Vom Nesthäkchen zum Berufsverbot

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Die meisten Buchveröffentlichungen Else Urys, allen voran „Nesthäkchen“ und „Professors Zwillinge“, zeichnen ein heiteres, unbeschwertes Familienleben und eine glückliche Kindheit. Zumeist wird Urys literarisches Werk daher etwas spöttisch als „Backfischliteratur“ bezeichnet.

Eine solch heile Welt war der Autorin selbst nicht vergönnt: Ury erlebte beide Weltkriege und fand 1943 im Alter von 75 Jahren den Tod durch Deportation in das Konzentrationslager Auschwitz. Die Veröffentlichung ihrer Bücher stand während des Zweiten Weltkriegs unter Strafe, obwohl Ury nur selten Elemente ihres jüdischen Glaubens literarisch verarbeitete.

Dahinter steckte jedoch kein Kalkül, um eine breit gefächerte Leserschaft anzusprechen, ist die Ury-Biografin Marianne Brentzel überzeugt: „Es war ihr einfach nicht so wichtig. Ury war eine große Anhängerin von Lessings ,Nathan der Weise’ und teilte die Auffassung einer universellen Gottheit für alle Religionen, außerdem war sie politisch nicht besonders interessiert.“

Die wenigen Buchveröffentlichungen Urys, die Rückschlüsse auf die politische Lebensrealität gewähren – werden heute nicht mehr publiziert und sind in Vergessenheit geraten. Bereits 1992 veröffentlichte die Dortmunder Schriftstellerin Marianne Brentzel eine Biografie Urys mit dem Titel „Nesthäkchen kommt ins KZ“, vor sechs Jahren erfolgte eine ergänzte und überarbeitete Neuauflage unter dem Titel „Mir kann doch nichts geschehen“.

Die Einladung nach Berne erfolgte im Rahmen der Berner Bücherwochen. „Ich suchte nach Vorträgen, die zu unserem Thema ‚Trotz alledem’ passen“, erklärt Organisator Reinhard Rakow das Zustandekommen der Veranstaltung. Das Leben Urys illustriert dieses Motto der Bücherwochen auf bittere Art und Weise: Obwohl sie bereits 1935 aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen und mit einem Berufsverbot belegt wurde, blieb Ury in Deutschland.

Brentzels Ausführungen sorgten unter den Zuhörern in der Kulturmühle für Verwunderung und Betroffenheit: So hatte man sich eine der wohl erfolgreichsten deutschsprachigen Kinderbuchautorinnen nicht vorgestellt.