"Wir weben einen Winterreise-Geschichten-Stern" - Kindergarten Berne aktiv im Winterreisen-Programm

"Wir weben einen Winterreise-Geschichten-Stern", erläutert Linda Schmitz-Major, "Er wird immer größer und dichter". Wir, das sind elf Kinder des Kindergartens Berne, 4- und 5-jährig, Kindergartenleiterin Schmitz-Major und Erzieherinnen. Als "Winter-Reise-Gruppe" arbeiten sie gemeinsam an einem großen Stern aus Stöcken, trockenen Ästen und Gräsern, Vogelfedern und Schafswolle, Dinge, die man auf gemeinsamen Wanderungen  gefunden und besprochen hat. Zu jedem Bestandteil gehört eine Geschichte, denn das ist das Ziel: Dass der Stern dicht gewebt wird aus "Winterreise"-Geschichten.

Seit Dezember trifft sich die Gruppe jeden Freitag in der ersten Stunde, um sich auf "Winterreise" zu begeben. Man wandert an der vereisten Ollen oder am Weserstrand, man sucht Spuren im Schnee, beobachtet die Natur. Im Kindergarten bespricht man das Erlebte. Oder man lädt ältere Menschen ein, die von ihren eigenen Wintern erzählen. Was, damals gab es keine Heizung?! Und eine heißen Stein hattet ihr unter der Bettdecke?!

Steine, die auf den Wanderungen gefunden wurden, kommen in die "Steinekiste". Die wird aufbewahrt im "Winterreise-Koffer", einem Koffer auf Rollen, den man bei den Erkundungstouren mitziehen kann. Auch Bilder sind im Koffer, Notenhefte, ein CD-Spieler mit einer CD von Schuberts "Winterreise" und ein "Reiseberichtsheft". Dort protokollieren die Erzieher, was die Kinder herausgefunden haben. Zum Beispiel, dass Vögel bei Kälte erfrieren können. Dass die Bäume keine Blätter tragen und im Schnee schwarz aussehen. Aber auch, dass es Menschen gibt, die Schwarz als Lieblingsfarbe haben und trotzdem "total lustig" sind.

Die Kids haben sogar eine Vorstellung davon, wer Franz Schubert war: ein Liedermacher vor 200 Jahren. Zu Beginn jeder Gruppensitzung erklingt ein Lied aus dessen "Winterreise". "Die Kinder haben sich der Musik völlig unbefangen genähert", berichtet Schmitz-Major, "Sie nehmen die für sie fremde Musik und Sprache an und kommen dabei zur Ruhe." Und ergänzt: "Sie haben sofort bemerkt, dass das ganz anders klingt als als KiKa." Meist liest sie nach dem Lied eine Passage aus dem Text vor, und die Kinder kommen darüber ins Gespräch. "Es ist immer wieder erstaunlich, zu welchen Einsichten selbst kleine Kinder fähig sind, wenn man sie nur ernst nimmt", begeistert sie sich und hebt das Engagement hervor, mit dem die Kinder bei der Sache sind. "Manche fangen schon am Dienstag an zu fragen, wann wieder "Winterreise" ist."

Zusammen mit den Kolleginnen dokumentiert sie die "Winterreise" in Notizen und mit der Kamera. Aus diesem Material soll bis Herbst ein Buch entstehen, das im Geest-Verlag Vechta verlegt wird, Arbeitstitel "Ein Kindergarten begleitet Schubert auf der Winterreise". Schon mit dem im Jahre 2009 erschienenen Buch "Die Kinderphilosophen" hatte man große Aufmerksamkeit erregt. Auf das neue Buch, gewiss eines der erstaunlichsten Projekte der Dritten Berner Bücherwochen 2011, darf man sich jetzt schon freuen.