Rezension von Gerhard Rombach / Mikaela Tarnawski: In uns von Annette Gonserowski
Rezension von Annette Gonserowski zu
Mikaela Tarnawski
Gerhard Rombach
In uns
Gedichte zweier Generationen
Mit Zeichnungen von Martina Tarnawski
124 Seiten,
Geest-Verlag m 49377 Vechta Langförden
ISBN 978-3-86685-123-8
10 Euro
"In uns" - ein nicht alltägliches Buch, das die Lyrik der Enkelin und des Großvaters vereint.
Es ist ein nachdenklich machendes Buch mit einem Hauch Melancholie, die wie ein sanfter Schleier durch das Buch schwebt.
Wie dieses Buch lesen? Es gibt der Möglichkeiten viele.
Ich las voller Erwartung die Gedichte der jungen, noch unbekannten Lyrikerin Mikaela Tarnawski als eigenständige Erstveröffentlichung.
Mit diesem Debüt öffnet sie sich dem Leser durch ihre Gedichte in all der Verletzlichkeit einer jungen Frau auf dem oft schmerzlichen Weg zum Erwachsenwerden. Beim Lesen dieser Gedichte begleiten wir sie auf diesem Weg. Wir spüren die Freude auf die Freiheit beim Verlassen der behüteten Kindheit, die Sehnsucht nach dem Unbekannten, die Suche und Neugier auf das, was kommen mag, das Abstreifen der vermeintlichen Fesseln, aber auch den Wunsch nach Stille, Rückzug, wie sie es in ihrem ersten Gedicht formuliert:
"Dann will ich mich hinlegen, die Augen schließen/ träumen".
Der Zauber einer verflossenen ersten Liebe dringt in uns und die reife Erkenntnis, dass diese niemals vergehen wird: "Unsere Liebe ist wie eine Rose/ die zuwenig Wasser bekam/welkte und trocknete/die aber niemals vergehen wird.
Es bleiben Schmetterlinge beim Gedanken an den Geliebten, ebenso wie sein Lächeln, hier als ungewöhnlicher Rückblick in dem Gedicht
Verliebt und verrückt:
Als ich dich kennenlernte
erwachten Schmetterlinge in mir
und schlüpften aus ihren Puppen
Du warst das einzige, woran ich
denken konnte, und Aphrodites Liebespfeil
saß tief in meinem Kopf
Lustig muss das ausgesehen haben, denn
immer hast du gelächelt
wenn wir zusammen waren
Wir lesen Gedichte der ersten Liebe, mit all ihrem Ungewöhnlichen, Einzigartigen, all ihrer Ratlosigkeit und Melancholie am Ende.
Zart das Gedicht über die kleine Schwester, beschrieben als Schatten, der ihr folgt und ihr Erlebtes erfahren wird.
Meine kleine Schwester
Sie ist wie mein Schatten und macht alles
was ich schon hinter mir gelassen habe
Ich brauche mich nicht umzudrehen
ich weiß, sie steht immer da.
Diese kleine Schwester begleitet fast unentdeckt dieses Buch, indem sie ihre Zeichnungen den Gedichten ihrer großen Schwester zur Seite stellt.
Leicht ist dieser Weg nicht, der aus der Kindheit herausführt. Der spürbare Wunsch nach Veränderung, hier beschrieben durch den wechselnden Wind, der zum Sturm wird und zum Erleben des Unerwarteten. Die vermeintliche Enge des schützenden Elternhauses, das Loslösen, Heraustreten, und die beruhigende Gewissheit der bleibenden Sicherheit dieser Bindung.
All das wird in kurzen, prägnanten Gedichten in einer schnörkellosen Sprache mit schon großer sprachlicher Fertigkeit dargeboten.
Sie berührt den Leser, er scheint vertraute Momente wiederzuerkennen, lässt ihn also niemals unbeteiligt sein.
Ein mutiger Schritt aus der Geborgenheit der Anonymität in die Öffentlichkeit, der behutsam vom Großvater mitgetragen wurde, der die Gedichte aus dem Schwedischen in die Deutsche Sprache übersetzte.
Ich wünsche diesen Gedichten behutsame, verstehende Leser.
Die Gedichte Gerhard Rombachs im Kontext zu den Gedichten der Enkelin zu lesen, macht dieses Buch zu einem ganz besonderen Werk.
Gerhard Rombach ist nicht nur bekannt durch sein ebenfalls im Geest-Verlag erschienenes Buch "In mir", sondern durch zahlreiche Veröffentlichungen in Anthologien, im Rundfunk und im Internet.
Auch hier offenbart er sich in seinem unverwechselbaren Stil als Meister des geschriebenen Wortes in all seiner Souveränität , mit der er voll Würde , Gelassenheit und leichtem Bedauern auf ein gelebtes Leben zurückblickt.
All das, was wir als noch vorhandene schmerzliche Nähe in den Gedichten der Enkelin spüren, dürfen wir hier als bereichernde, weit zurückliegende Strecke eines gegangenen Lebensweges erfahren.
Eine ungeheure Faszination geht von diesen Gedichten aus, beglückend in ihren gekonnt gesetzten, verknappten Worten, die es leicht machen, sich auf den verhaltenen Zauber der Endlichkeit und des Vergangenen einzulassen und auf die Gewissheit, dass all das bleiben wird:
Hab und Gut
Allen werde ich etwas
zurücklassen
Dem einen mein Hab
dem anderen mein Gut
Doch dir, die ich liebe
lasse ich meine Worte zurück
und alle meine ungeschriebenen Gedichte.
Welch bleibendes Gefühl der ersten Liebe, die Bestand hatte, welch Zartheit ist geblieben, wenn der Dichter schreibt:
Lebensjahre
Damals, als wir Hand in Hand
standen beim Ruf des Kuckucks
und die Jahre unseres
Lebens zählten
So viele waren es und
so wenige sind geblieben
doch immer noch halte ich deine Hand.
Wir begleiten ihn auf Wegen der Einsamkeit, deren Gefühl noch heute unerwartet in die Gedanken tritt und das er "Berlingefühl" nennt, beschrieben im gleichlautenden Gedicht.
Es berührt die Melancholie des Dichters im finalen Rückblick, wir spüren Alleinsein.
Auch in diesem Buch bleibt Gerhard Rombach sich treu, indem er zeitkritische Gedichte seinen Liebesgedichten hinzufügt, mahnend den Stift erhebt.
Der Dichter weiß um die Wirkung seiner Worte. Wie scheinbar unbeabsichtigt streut er Gedichte voller Leichtigkeit und (nur scheinbar) lapidaren Worten zwischen die Seiten, die seine Nähe zu Bukowski zeigen und die uns Luft holen lassen.
Ein Buch, das lange in den Gedanken bleibt.