Immer das schwarze Schaf - Zum Tod von Günter Ullmann von Lutz Rathenow im Deutschland-Radio Kultur
"Immer das schwarze Schaf"
Zum Tod des Lyrikers Günter Ullmann
Von Lutz Rathenow
Mit
dem Schreiben begann er 1966, doch erst nach dem Ende der DDR konnten
seine Gedichte und Prosastücke als Buch erscheinen. Jetzt ist der
Dichter Günter Ullmann im Alter von 62 Jahren gestorben. Der aus
Thüringen stammende Autor war auch als Maler und Musiker tätig.
Wir
reden von Günter Ullmann aus dem Thüringer Ort Greiz, 1946 geboren und,
wie erst jetzt bekannt wurde, am Samstag im Krankenhaus verstorben.
1984 führte er sich mit acht Gedichten furios in die Literatur ein.
Gedruckt in der nur im Westberliner Oberbaum-Verlag erschienenen
Anthologie "einst war ich fänger im Schnee" hebt ein Gedicht an:"Kein
Gott spricht mehr / aus unserem himmel /die engel / sind aus eisen /
und blech / und fallen ab /vögel / lassen federn / an unseren traurigen
/ optimistischen reden".
Dafür gab es dann viel Ärger, Verhöre,
Druck und niemand wird mehr endgültig sagen können, ob Günter Ullmann
auch ohne diese DDR-Schikanen jemals in der Psychiatrie gelandet wäre,
die fortan zu einem ständigen gelegentlichen Lebensbegleiter wurde. Aus
Greiz war zuvor schon Reiner Kunze weggetrieben worden - Ullmann hatte
seinen Freundeskreis Greizer Autoren und Musiker der Jazz-Gruppe Media
Nox. Mit der er auch immer wieder auftrat. Und nicht nur Kunze und
Jürgen Fuchs waren von vielen dieser frühen Ullmann-Texte begeistert.
Unser zitiertes Gedicht geht weiter: Die volkseigenen blätter / der
staatlichen bäume / verschweigen das blut / unterm vergoldeten /
trauerrand Die sonne geht weg / weit weg / dahin / wo die schornsteine
/ noch nicht regieren Seine expressionistisch- surreal eingefärbten
lyrischen Gebilde stehen durchaus für sich.
Hinreißend auch
viele seiner Kindergedichte, die es in große repräsentative Anthologien
schafften. In den letzten Jahren mühte er sich mit unterschiedlichem
Erfolg um eine autobiografische Prosa. Er wurde immer lieber
porträtiert als das man einfach Texte von ihm wollte. Er lieferte die
Beispiele für den von der DDR politisch kaputtgespielten Schriftsteller
schlechthin. Das ist nicht falsch. Und doch ungerecht, denn er hat
etwas geleistet, was man nachlesen kann. Auch in einem zum Glück in der
Büchergilde Gutenberg im letzten Jahr erschienenen Sammelband. Darüber
freute er sich sehr. Er schaute in fast jeden Gedichtband, er war
süchtig nach Zigaretten und guter Lyrik. Jetzt, wo er nicht mehr ist,
wird manches anspruchsvolle Poesiewerk in Thüringen wohl keinen Käufer
mehr finden. Nachdenken über Günter Ullmann. Der Benennung des
DDR-Unrechts im kulturellen Bereich haftet oft die Nebenwirkung an,
dass die diskriminierende Absicht von damals erst als Echo in der
Gegenwart ihre subtile Wirkung entfaltet. So wurde Günter Ullmann als
politisches Opfer respektiert und deshalb als Autor oft ignoriert. Nun
starb er noch am zehnten Todestag seines Freundes und
Schriftstellerkollegen Jürgen Fuchs.
An einem anderen 9. Mai vor
zwei Jahren wurde in Berlin der Dichter Kollege Wolfgang Hilbig
beerdigt. Lassen wir nicht dem Ende das letzte Wort. Denn eigentlich
ist Günter Ullmann ein Dichter der Anfänge, Aufbrüche. Wie beginnt der
Autor Udo Scheer eine biografische Skizze: 1946 wird Günter Ullmann in
das Greiz der Nachkriegszeit hineingeboren. Mit sensibler Intensität
erfährt das Kind den Reichtum, den Freundschaft und Güte ausmachen.
Trotz eigener Armut stecken ihm die Nachbarn immer mal etwas zu. Alle
Wohnungstüren in dem großen Haus stehen ihm offen. Dann folgt das
hinreißende Gedicht "Kindheit": die brotsuppe auf dem tisch die
kirschen hinterm zaun die welt ein fisch das herz ein clown.