Ines Jacobie und Cornelia Eichner: Angsthasen
Herausgeberinnen: Ine's Jaccobie, Cornelia Eichner
Angsthasen. Eine Anthologie von und für mutige Menschen
ISBN 3-934852-70-X
Preis 8,41 Euro
Vorwort
Während der Arbeit an dieser Anthologie, von der
Ausschreibung und der Werkstatt zum The-ma über die Sichtung erster
Einsendungen hin zur Auswahl der Texte und ihrer Zusammen-stellung, gab
es verstärkt Gespräche zum Thema Angst und der Möglichkeit
literarischer Aus-einandersetzung damit. Es gab sehr viele anerkennende
Meinungen, Bekundungen, wie wich-tig dieses Buch ist.
Ebenso gab
es jedoch dieses so typische Belächeln des Sujets. Kamen in
Alltagsleben Bemerkungen wie ,,Angst ist doch normal, hat doch jeder,
macht nur kein Drama daraus, springt doch einfach über den eigenen
Schatten.'', so wurde die Idee des Buches oft mit ,,uninteressant''
abgetan.
Oder es wurden Zweifel geäußert, dass ein solches Thema anspruchsvoller Beitrag zur neueren deutschen Literatur sein könne.
Nun, ich glaube, dieses Buch ist Aussage für sich.
In einer
Vielfalt von Herangehensweisen und mit hohem literarischem Niveau - bei
aller not-wendigen und wünschenswerten Lebensnähe - sind Texte und
Grafiken von 60, bekannten oder weniger bekannten, Menschen aus
Deutschland, Österreich und der Schweiz enthalten. In Essays, Gedichten
und Erzählungen wurde sich mit dem Thema Angst auseinandergesetzt. Ganz
unsentimental. Ganz behutsam. Ganz kritisch. Jedem einzelnen Text ist
die Achtung vor dem anderen Menschen anzufühlen und der Wunsch zur
Kommunikation über einen Bereich unseres Seins, der noch viel zu oft
abgelehnt oder als nicht vorhanden betrachtet wird. Ein Mensch, den ich
hoch achte und von dem ich schon viel lernen konnte, sagte einmal:
Je-ner, der noch nicht wahrhaft Angst gehabt hat, weiss nicht, was
Leben ist. Eine Meinung, mit der er zum Nachdenken, Kritisieren und
Diskutieren anregen will, meine ich. Und dies ist auch die Aufgabe
dieses Buches: Mittels einer literarischen Form Gespräche an-regen,
Sich-Nahe-Kommen ermöglichen und sensibilisieren für Eigenheiten
anderer Menschen.
Ein besonderer Gedanke und Dank gilt an dieser
Stelle jenen, die seit einiger Zeit in einem Internet-Chat zum Thema
Angst miteinander reden und allen Menschen, die Mut ha-ben/machen für
ähnliche Berührungspunkte.
Für Tina, Conny, Vroni, Iris und all die anderen lieben Leute.
Cornelia Eichner im Juli 2001
Rezension zur Anthologie
Ingeborg Bachmanns Zitat ,,Was aber möglich ist, in
der Tat, ist Veränderung. Und die verändernde Wirkung, die von neuen
Werken ausgeht, erzieht uns zu neuer Wahrnehmung, neuem Gefühl, neuem
Bewußtsein.'' leitet die Anthologie ,,Angsthasen'' ein. Worte, die
nicht treffender sein könnten für dieses Buch.
Jeder einzelne
enthaltene Text strotzt vor Lebensnähe, Echtheit, Intensität und Mut.
Eine geballte Ladung menschliches Sein, geschaffen von rund 60 Autoren
und Autorinnen, einem Grafiker und einer Grafikerin, zusammengetragen
von den beiden Autorinnen Cornelia Eichner (Zwickau) und Ine's Jaccobie
(Berlin).
Bei der Auswahl wurde bewußt auf Klischees und Jammerei
verzichtet, dafür kamen, sicher teilweise fiktive, Fakten aufs Papier,
öffnen Gedankenkonstruktionen neue Wege, lassen lyrische Bilder uns den
anderen Menschen spüren.
Gut recherchierte und ausgearbeitete
Essays stehen neben feinfühliger Lyrik und ergreifender Prosa. Umreißt
die Berliner Mitherausgeberin Ine's Jaccobie ganz allgemein das Thema
Angst zum Einstieg, zeigt der Mainzer Physiologe Stefan Walenta
Möglichkeiten durch Entspannungstechniken Panikattacken
entgegenzutreten.
Die Autorin Verena Raupach aus Mönchengladbach
öffnet mit ihrem Essay über Salvador Espriu unseren Blick für einen
außergewöhnlichen Lyriker; der Schweizer Autor, Arzt und
Psychotherapeut Frank Fischer nutzt seine wunderbare Gabe, auch
Gegebenheiten, die für Außenstehende unbegreiflich sind ganz konkret
nachspürbar aufzuzeichnen.
Roman Graf, ein junger Autor aus
Zürich, legt wie Puzzleteile die Wörter seiner Lyrik zurecht, um daraus
die sichere, aber unzureichende Situation vernetzter Menschen
abzubilden.
Ja, sagt man beim Lesen, dieses Gefühl kenne ich. Und
sagt man Nein, fragt man sich sogleich, warum der oder die andere, der
oder die hier über das Papier mit mir spricht, diese seine Welt aus
einem mir so fremden Blickwinkel sieht.
Während man liest, spürt
man deutlich, da sind ,,keine Heiligen mehr'' (Janet Haarbach), sondern
da ist im Fenster gegenüber Gloria, ,,normal, nicht schön, nicht
häßlich.'' (Gilbert Diedrich) Wie du und ich also. Die Nachbarn haben
Angst vor Einbrechern (Annette Paul), die Frau von untendrunter wird
noch immer von ihrem Peiniger verfolgt (Frank Fischer). Es sind
Geschichten von den Menschen um uns. Sie werden Sie wiedererkennen,
wenn Sie genau lauschen.
Und vielleicht, wenn Sie wieder einmal
einem Menschen begegnen, haben Sie den Mut zu lächeln und damit zu
zeigen: Ja, ich habe auch Angst, schäme Dich nur nicht.
Marion
Hallbauer (Kirchberg) und Dirk Bathen (Brilon) unterstützen mit ihren
grafischen Arbeiten einfühlsam die abgedruckten Texte, bannen, manchmal
ironisch, manchmal mit einer Träne im Auge, die Angst mit Feder und
Pinsel aufs Papier. Für Schnörkel ist dabei - ebenso wie bei den Texten
- kein Platz. Die Bilder treffen klare und wahrhaftige Aussagen,
beschönigen nichts.
Die Arbeiten dieses im Geest-Verlag
erschienenen Bandes drehen sich rund um das Thema ,,Angst''. Was aber
viel wichtiger ist: Sie zeigen und machen Mut.
Und das ist etwas,
was ich nur jedem Menschen wünschen kann. Möge dieses Buch Mut machen,
Menschen lachen und weinen und miteinander reden lassen.
Max Tenner (Leipzig), im August 2001