In dieser Woche in der Endkorrektur: Moritz - Mit Flügeln dem Leid entfliegen
Dieter Class
Moritz
Mit Flügeln dem
Leid entfliehen
Geest-Verlag 2009
Moritz, der junge Familienvater, hatte einen Unfall erlitten, wie er
für jedermann und zu jeder Zeit möglich sein kann. Und was zu diesem
Zeitpunkt mit einem Unfall begann, wurde in der Folge zum FALL mit
schwer¬sten Schädel-Hirnverletzungen mit "apallischem Syndrom", d.h.
Funktions¬ausfall der Großhirnrinde bei Erhalt der Versorgung
lebenswichtiger Zentren wie Atmung, Herz-Kreislauf, Verdauung. Der
davon betroffene Mensch ist vollkommen hilflos, in allen Bereichen
pflegebedürftig. Eine Heilung ist derzeit nicht möglich.
Monatelanger Aufenthalt auf der Intensivstation und im Krankenhaus
erbrachten keinerlei Besserung. Versuche einer Rehabilitation über fast
zwei Jahre hinweg wurden durch ein Psychosyndrom erschwert, praktisch
vereitelt. Der Aufenthalt in einer Spezialklinik wurde nach vier Tagen
abgebrochen. Versorgung in häuslicher Pflege zerstörte die Familien.
Hilferufe bei der Politik offenbarten die Orientierungslosigkeit des
Ge¬sundheitssystems. Öffentlichkeitsarbeit verhallte ohne Echo.
Keinerlei Heim oder Einrichtung war für die Aufnahme des
Schwerstbehinderten bereit. Nur nach Überwindung größter
Schwierigkeiten konnte eine Aufnahme in der Psychiatrie erfolgen. Dort
vegetierte Moritz über Jahre hinweg. Was geht im Innern eines Menschen,
seiner Seele vor, angesichts der demonstrativen Unfähigkeit, einen
solchen FALL zu meistern? Nach fast achtjähriger Odyssee konnte Moritz
in der Stiftung Liebenau aufgenommen werden. In Erkenntnis der
Versorgungslücke wurde dort in der St. Lukas-Klinik eine Station
eröffnet zur Betreuung von Personen mit erworbenen Hirnschäden. Die
konsequente Realisierung des Leitmotivs: "In unserer Mitte - der
Mensch" bewirkte bei Moritz eine Wende: Im Laufe der Zeit konnte er,
der innerlich total zerrissene Mensch, ruhiger werden, sich festigen,
Humor entwickeln und eine positive Ausstrahlung darbieten. Nach 13
Jahren der Aufwärtsentwicklung hatte er sein Ende geahnt und diese
Vorahnung an seine Umgebung weitergeben können. Im tiefen Frieden
konnte er seinen geschundenen Körper erlösen, welcher so viele Fragen
aufgeworfen hatte.
Dieser kranke, innerlich extrem einsame Mensch konnte eine Überwindung
vollziehen, welche unserer Naturwissenschaft nicht möglich war. Er
konnte etwas bewirken, zu was wir mit all unserem Wissen und Können
nicht fähig sind.
Der Autor - Vater von Moritz - war veranlasst, das Ganze zu begleiten.
Vieles war entsetzlich. Die bei dem FALL gewonnenen Einblicke
betrachtet er als Gnade.