Peter Zadek gestorben

In der Nacht zum Donnerstag ist der
Theaterregisseur Peter Zadek im Alter von 83 Jahren verstorben. Zadek
hat das Nachkriegstheater in Deutschland mit geprägt und
revolutionierte das Theater in den 60er und 70er Jahren. Noch im
Februar diesen Jahres feierte er Erfolge am Schauspielhaus Zürich.
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Peter Zadek (* 19. Mai 1926 in Berlin, † 30. Juli 2009 in Hamburg) war
ein deutscher Regisseur. Zadek war Intendant in Bochum (1971 bis 1975)
und Hamburg (1985 bis 1989). Insbesondere seine unkonventionellen
Shakespeare-Inszenierungen haben Theatergeschichte geschrieben.

Leben

Peter Zadek wurde in Berlin als Sohn einer bürgerlichen, reformiert
jüdischen Familie geboren und emigrierte 1933 mit der Familie nach
London und nach Beginn des Bombenkrieges ins ruhigere Oxford. Während
der Ausbildung zum Lehrer kam er in Kontakt mit einem Amateurtheater,
was in ihm den Wunsch erweckte, Regisseur zu werden. Er begann eine
Regieausbildung in London und mit 21 Jahren hatte seine erste
Inszenierung von Oscar Wildes Salome in London Premiere. Nach dem
Studium begann er an zahlreichen Theatern in der britischen Provinz zu
inszenieren. Im walisischen Swansea und Pontypridd hatte er Engagements
als Regisseur mit der Verpflichtung, wöchentlich eine neue Inszenierung
herauszubringen. 1958 erhielt er eine Einladung des Theaters am Dom in
Köln und reiste zum ersten Mal nach seiner Emigration wieder nach
Deutschland. Dort lernte er den deutschen Regisseur und Theaterleiter
Kurt Hübner kennen, der ihn nach Ulm holte und später mit ihm in Bremen
in den 1960er-Jahren für Furore sorgte mit dem so genannten Bremer
Stil, der vor allem durch die wilden Inszenierungen Zadeks und die
Bühnenbilder des Malers Wilfried Minks geprägt wurde. Mit Minks
arbeitete Zadek seit seiner Zeit in Ulm zusammen.

In Ulm sorgte seine erste Inszenierung von Shakespeares Der Kaufmann
von Venedig für Aufsehen, da aufgrund der negativen Darstellung des
Juden Shylock dem Juden Zadek Antisemitismus vorgeworfen wurde. Zadek
entgegnete den Vorwürfen: „Solange die Deutschen nicht die schlechten
Seiten von Juden aussprechen, haben sie nicht begonnen, sich mit ihrem
Antisemitismus auseinanderzusetzen.“

Die herausragenden Arbeiten unter Kurt Hübner in Bremen waren seine
Inszenierungen Frühlings Erwachen von Frank Wedekind und Die Räuber von
Friedrich Schiller, die den Geist und die revolutionäre Atmosphäre von
1968 bereits vorwegnahmen. Neben Peter Zadek arbeitete auch der junge
Peter Stein als Regisseur in Bremen und so wurde dieses kleine Theater
zu einem der wichtigsten Theater seiner Zeit in Deutschland.

Die Erfolge in Bremen führten zu seiner ersten Intendanz am
Schauspielhaus Bochum von 1972 bis 1979. Hier begann seine fruchtbare
Zusammenarbeit mit dem Protaganisten seiner spektakulärsten
Inszenierungen: Ulrich Wildgruber. Wildgruber war bis zu seinem Tode in
allen großen Shakespeare-Rollen unter Zadeks Regie zu sehen. Es zeigte
sich aber auch, dass Zadek mit der Führung eines Theaters und den damit
verbundenen bürokratischen Tätigkeiten überfordert war, und er ließ
sich erst nach langjähriger Tätigkeit als freier Regisseur 1985 wieder
auf das Abenteuer Intendanz am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg bis
1989 ein. In Bochum brachte er seine zweite Interpretation vom Kaufmann
von Venedig, dem 1988 noch eine dritte am Wiener Burgtheater – Zadeks
Debüt an diesem Theater – folgte, heraus und kreierte eine in
Deutschland neue Form der Theaterrevue. Seit 1990 war Peter Zadek an
allen großen deutschsprachigen Bühnen als freier Regisseur tätig. Seine
Inszenierungen stießen immer wieder auf fast kultartige Zustimmung
sowie auf inbrünstige Ablehnung. Zadek verstieß in seinen
Inszenierungen immer wieder gegen gesellschaftliche Konventionen und
Theaterkonventionen. Er arbeitete häufig experimentell und war somit
immer überraschend. Ein Schwerpunkt war jedoch immer wieder die
Psychologie der Figuren, für die er den Schauspielern viel abverlangte.
Zuletzt zu begutachten war er am Berliner Ensemble mit seiner
Sichtweise des Peer Gynt von Henrik Ibsen (2004). 2005 gründete er mit
Tom Stromberg die Theaterproduktionsfirma my way Production. Erste
Produktion sollte William Shakespeares Was ihr wollt sein.

Außerhalb seiner Theaterarbeit wagte er sich zweimal an Kinofilme
heran: 1969 Ich bin ein Elefant, Madame und 1983 Die wilden Fünfziger
nach dem Roman Hurra, wir leben noch von Johannes Mario Simmel.

Ehrungen

Zadek erhielt zahlreiche Preise und Ehrungen und wurde mehrfach von den
Kritikern von Theater heute zum Regisseur des Jahres gewählt. 2002
wurde ihm das Große Bundesverdienstkreuz verliehen. Mit 21 Einladungen
zum Berliner Theatertreffen ist er der Regisseur, der die meisten
Einladungen zu diesem wichtigsten Theaterfestival in Deutschland
erhielt. 2006 erhielt er die Medaille für Kunst und Wissenschaft der
Stadt Hamburg. Gemeinsam mit dem kanadischen Regisseur Robert Lepage
sollte Zadek 2007 den Europäischen Theaterpreis erhalten. Zadek sagte
jedoch seine Teilnahme an der Preisverleihung aufgrund von
Probenarbeiten und Erkrankung kurzfristig ab. Die Jury entschied
daraufhin, Preis und Preisgeld in Höhe von 60.000 Euro in Gänze Robert
Lepage zu überreichen. Das Preisgeld sollte der my way-Produktion von
Was ihr wollt zugutekommen. Als Zadek kurz nach der Bekanntgabe des
Preisgeldentzuges in ein Berliner Krankenhaus eingeliefert wurde,
meldete das Unternehmen Insolvenz an. Das Stück sollte ursprünglich bei
den Wiener Festwochen Premiere haben und später auf der RuhrTriennale
in Bochum gezeigt werden. 2008 wurde er bei der Nestroy-Verleihung mit
dem Nestroy für das Lebenswerk ausgezeichnet. Nach seinem Tod würdigte
ihn der Schauspieler Gert Voss: "Er hat einen Schauspieler davon
befreit, sich zu verstellen und ihn dazu gebracht, sich zu
enthüllen."[1]

Privatleben

Privat war Peter Zadek seit 1980 mit der Schriftstellerin und
Übersetzerin Elisabeth Plessen liiert, die unter anderem für ihn neue
Übersetzungen zu seinen Shakespeare-Inszenierungen beisteuerte, die
dadurch eine neue Frische erhielten und wesentlichen Anteil am Erfolg
der Inszenierungen hatten. Peter Zadek war Vater zweier erwachsener
Kinder, an deren Erziehung er sich jedoch nicht beteiligt hat, da er
sich nicht imstande sah, dies mit seinem Theaterberuf in Einklang zu
bringen. Zadek sah seine Schauspieler, ein kleiner fester Stamm von
rund 30 bis 40 Akteuren, zu denen unter anderen Eva Mattes, Angela
Winkler und Susanne Lothar gehörten, als seine eigentliche Familie an,
die er nach eigener Aussage besser kannte als seine Angehörigen. Peter
Zadek entdeckte u. a. Rosel Zech, die heute zu den bedeutenden
Schauspielern des deutschsprachigen Films gehört.

Inszenierungen

* 1957 – Der Balkon von Jean Genet, London
* 1961 – Der Kaufmann von Venedig von Shakespeare, Ulmer Theater
* 1965 – Frühlings Erwachen von Frank Wedekind, Bremer Theater, Bühnenbild Wilfried Minks
* 1966 – Die Räuber von Friedrich Schiller, Bremer Theater, Bühnenbild Wilfried Minks
* 1967 – Maß für Maß von Shakespeare, Bremer Theater, Bühnenbild Wilfried Minks
* 1972 – Kleiner Mann, was nun? nach Hans Fallada, Schauspielhaus Bochum, mit Tana Schanzara u. a.
* 1973 – Die Möwe von Anton P. Tschechow, Schauspielhaus Bochum
* 1974 – König Lear von Shakespeare, Schauspielhaus Bochum
* 1975 – Die Wildente von Henrik Ibsen, Deutsches Schauspielhaus Hamburg
* 1976 – Othello von Shakespeare, Deutsches Schauspielhaus Hamburg
* 1977 – Hedda Gabler von Henrik Ibsen, Schauspielhaus Bochum
* 1977 – Hamlet von Shakespeare, Schauspielhaus Bochum mit Ulrich Wildgruber
* 1981 – Jeder stirbt für sich allein nach Hans Fallada, Schiller-Theater Berlin
* 1983 – Baumeister Solneß von Henrik Ibsen, Bayerisches
Staatsschauspiel München, mit Hans-Michael Rehberg, Barbara Sukowa,
Paulus Manker, Annemarie Düringer u. a.
* 1984 – Yerma von Federico García Lorca, Münchner Kammerspiele, mit Jutta Hoffmann
* 1984 – Ghetto von Joshua Sobol, Freie Volksbühne Berlin; Deutsches Schauspielhaus, Hamburg
* 1987 – Andi, Musical nach Kai Hermann, Deutsches Schauspielhaus Hamburg, mit Susanne Lothar und Uwe Bohm
* 1988 – Der Kaufmann von Venedig von Shakespeare, Wiener
Burgtheater, Bühnenbild Wilfried Minks, Musik Luciano Berio, mit Gert
Voss u. a.
* 1988 – Lulu von Frank Wedekind, Deutsches Schauspielhaus Hamburg,
mit Susanne Lothar, Ulrich Wildgruber, Ulrich Tukur, Uwe Bohm, Heinz
Schubert, Paulus Manker, Jutta Hoffmann, Matthias Fuchs u. a.
* 1996 – Iwanow von Anton P. Tschechow, Burgtheater (Akademietheater), mit Gert Voss u. a.
* 1996 – Der Kirschgarten von Anton P. Tschechow, Burgtheater
(Akademietheater), mit Angela Winkler, Josef Bierbichler, Ulrich
Wildgruber, Hermann Lause u. a.
* 1998 – Alice im Wunderland mit Deborah Kaufmann, Axel Milberg, Thomas Holtzmann, Paulus Manker, Tankred Dorst
* 1997 – Richard III. von Shakespeare, Wiener Festwochen,
MuseumsQuartier mit Paulus Manker, Axel Milberg, Sibylle Canonica u. a.
* 1998 – Gesäubert von Sarah Kane, Hamburger Kammerspiele, mit Uwe Bohm, August Diehl, Suse Lothar, Ulrich Mühe u.a.
* 1999 – Hamlet von Shakespeare, Wiener Festwochen (Volkstheater),
mit Angela Winkler, Ulrich Wildgruber/Paulus Manker, Klaus Pohl, Eva
Mattes, Otto Sander u. a.
* 2000 – Rosmersholm von Henrik Ibsen, Burgtheater
(Akademietheater), mit Gert Voss, Angela Winkler, Otto Schenk u. a.
(Nestroy-Theaterpreis für die Beste Regie; plus 2 weitere Nestroys u.
a. Beste deutschsprachige Aufführung)
* 2001 – Bash – Stücke der letzten Tage von Neil LaBute, Hamburger Kammerspiele, mit Ben Becker, Uwe Bohm und Judith Engel
* 2003 – Die Nacht des Leguan von Tennessee Williams, Burgtheater (Akademietheater)
* 2003 – Mutter Courage von Bertolt Brecht, Deutsches Theater Berlin mit Angela Winkler
* 2004 – Peer Gynt von Henrik Ibsen, Berliner Ensemble mit Uwe Bohm
* 2005 – Der Totentanz von August Strindberg, Burgtheater/Wiener
Festwochen mit Gert Voss, Hannelore Hoger, Peter Simonischek
* 2006 – Der bittere Honig von Shelagh Delaney, St. Pauli Theater,
Hamburg mit Julia Jentsch, Eva Mattes, Uwe Bohm, Karl Wesseler u. a.
* 2009 – Major Barbara von George Bernard Shaw, Schauspielhaus
Zürich, mit Julia Jentsch, Nicole Heesters, Jutta Lampe, Robert
Hunger-Bühler, August Diehl, u. a.

Filmografie (Auswahl)

* 1964 – Die Stühle (Fernsehen) – Regie: Peter Zadek
* 1965 – Held Henry (Fernsehen) – Regie: Peter Zadek
* 1965 – Intercontinental-Express (Fernsehserie) – Regie: Peter Zadek
* 1968 – Rotmord (Fernsehspiel) – Regie: Peter Zadek (Prix Italia 1969)
* 1969 – Ich bin ein Elefant, Madame (Kino) – Regie: Peter Zadek (Silberner Bär auf der Berlinale 1969)
* 1971 - Der Pott (Fernsehen) - Regie: Peter Zadek
* 1972 – Van der Valk und das Mädchen (Fernsehen) – Regie: Peter Zadek
* 1975 – Eiszeit – Regie: Peter Zadek (Teilnahme am Wettbewerb der Berlinale 1975)
* 1983 – Die wilden Fünfziger (Kino) – Regie: Peter Zadek nach Johannes Mario Simmel
* 1984 – Baumeister Solness (Fernsehen) – Regie: Peter Zadek
* 2005 – Peter Zadek inszeniert Peer Gynt – Dokumentarfilm von Alexander Nanau

Schriften

* Das wilde Ufer. Ein Theaterbuch. Erweiterte Neuausgabe,
Kiepenheuer und Witsch, Köln 1994, 350 S., Ill., ISBN 3-462-02386-1
* My Way. Eine Autobiografie. 1926 bis 1969. Kiepenheuer und Witsch, Köln 1998, ISBN 3-462-03440-5
* Die heißen Jahre: 1970-1980. Kiepenheuer und Witsch, Köln 2006, 425 S., ISBN 978-3462036947
* Menschen Löwen Adler Rebhühner. Theaterregie. Kiepenheuer und Witsch, Köln 2003, 269 S., ISBN 3-462-03248-8

Literatur

* Volker Canaris: Peter Zadek – Der Theatermann und Filmemacher. Hanser, München 1979, 284 S., Ill., ISBN 3-446-12853-0
* Mechthild Lange: Regie im Theater – Peter Zadek.
Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1988, 167 S., Ill., ISBN
3-596-27125-8, mit Inszenierungsverzeichnis
* Ivan Nagel: Kortner, Zadek, Stein. Hanser, München 1989, 86 S., ISBN 3-446-15739-5
* Klaus Dermutz: Die Außenseiter-Welten des Peter Zadek.
Residenz-Verlag, Salzburg, Frankfurt am Main, Wien 2001, 239 S., Ill.,
Edition Burgtheater, ISBN 3-7017-1243-3
* Klaus Dermutz (Hrsg.): Peter Zadek. His Way. Henschel Verlag, Berlin 2006, ISBN 3-89487-540-2.
* Klaus Dermutz: Nahaufnahme Peter Zadek – Gespräche mit Klaus
Dermutz. Alexander Verlag, Berlin, 2007, ISBN 978-3-89581-163-0

Dokumentationen

* Peter Zadek – Mein Leben. Doku-Portrait, Deutschland, 2007, 45
Min., Buch und Regie: Jean Boué, Produktion: Macroscope Film, ZDF,
arte, Inhaltsangabe von arte
* Peter Zadek inszeniert Peer Gynt. Deutschland, 2006, 90 Min., Buch und Regie: Alexander Nanau

Einzelnachweise

1. ↑ General-Anzeiger Bonn (dpa), 31. Juli 2009, Seite 14

aus:www.wikipedia.de