Ida Bieler begeistzerte das Publikum zum Abschluss der Berner Bücherwochen

NWZ  HAUPTAUSGABE

Der ganze Bach an einem Abend
Konzert
Abschluss der Berner Bücherwochen - Ida Bieler spielt in Berne


Von Volker
Timmermann

Berne
- Fast wirkt es so, als wolle sich die kleine Kirche an den schützenden
Deich schmiegen in dieser windigen Novembernacht. Seit beinahe 700
Jahren trotzt das Gemäuer schon Weser und Wetter, und könnte es reden,
es hätte viel zu erzählen. Doch die Werke Johann Sebastian Bachs für
Violine solo, gespielt an nur einem Abend - das dürfte auch das
Gotteshaus in Warfleth nahe Berne zuvor nie erlebt haben.
Je drei
Sonaten und Partiten hat Bach für die Geige geschrieben, zusammen weit
mehr als zwei Stunden Musik. Ida Bieler spielt sie gleich alle, und für
die amerikanische Geigerin bedeutet dies, mehr als zwei Stunden allein
im Fokus zu stehen, durchgehend und ohne Ruhepunkte während der Stücke.
Fast olympisch
Schon
das ist eine beeindruckende Leistung. Denn sie spielt da nicht
irgendeine Musik. Bachs Solosonaten und -partiten sind kolossale
Zyklen, die die technischen wie ausdrücklichen Möglichkeiten der
Violine vollständig ausnutzen. Angesichts der umfänglichen Fuge der
C-Dur-Sonate spricht Hermann Voss, der das Konzert mit spannenden
Erläuterungen begleitet, von einer "Architektur von fast olympischem
Ausmaß".
Manch berühmter Geiger schlägt da lieber einen weiten Bogen
um diese Meisterwerke. Ida Bieler hingegen stürzt sich geradezu hinein
in Bachs Musik, die sie vollständig ohne Noten spielt. Die immensen
technischen Anforderungen bewältigt sie mühelos.
Ida Bieler betont
Zusammenhang und lange Bögen, wenn sie etwa in der C-Dur-Sonate die
Fuge aus dem vorherigen Adagio heraus aufbaut und dann das Largo als
meditativen Gegenpunkt setzt. Den polyphonen Aspekt arbeitet sie immer
wieder durch Stimmfärbungen sowie Binnendynamik in den ungezählten
Doppelgriffen und Akkorden heraus.
Voller Energie
Dabei spielt
Ida Bieler mit ihrem großen, in der Höhe hell strahlenden Ton, aber
auch den oft stürmischen Tempi einen sehr modernen Bach, der vor
Energie geradezu strotzt. Dass die Partiten auf barocken Tänzen
beruhen, macht sie durch ihr Rhythmusspiel gegenwärtig. Und tatsächlich
- solch überbordende Intensität behält die Geigerin auch nach über zwei
Stunden noch. Das Publikum ist da längst schon begeistert; und die
Berner Bücherwochen sind beendet.