Heute in Druck: Renate Hedemann: Bollingers Reisen

Renate Hedemann

Bollingers Reisen

Geest-Verlag 2009

 



978-3-86685-209-9

11 Euro

Renate Hedemann gelingt es im vorliegenden Roman, in sprachlich und spannungsmäßig außerordentlich gelungener Weise das Kurzporträt eines alternden Mannes aufzuzeichnen, wie ihn jeder von uns in dieser oder ähnlicher Weise kennt.
Bollinger arbeitet trotz fortgeschrittenen Alters in einem Bremer Verlag, wohnt aber seit seiner Familientrennung allein und zurückgezogen im ostfriesischen Raum. Auf seinen täglichen Zugreisen nach Bremen lernt er die verschiedensten Menschen kennen, die ihn – und er sie – in unterschiedlicher Weise in seinem Denken und Fühlen berühren. Da ist die Frau eines älteren Ehepaars, die mit plötzlichem Entschluss ihren Mann verlässt, die selbst¬bewusste ältere Dame, die an der Uni Bremen studiert und ihm zu einer wichtigen Freundin wird, der junge Mann, dem er vor Verfolgung hilft und von dessen Tod im Rahmen von Drogendelikten er eines Tages erfährt.
Da ist aber vor allem Lea, eine jüngere Frau, der er eines Morgens auf dem Bahnhof in Norden begegnet, als sie sich offensichtlich auf der Flucht vor irgendetwas befindet. Es entwickelt sich eine intensive Zuneigung vor dem Hintergrund der offensichtlichen Verwicklung in ein Verbrechen, denn Lea steht im Verdacht, ihren Mann ermordet zu haben. Sie flieht nach nur einer Nacht bei Bollinger, der sie aber nicht vergessen kann. Nur mit Mühe gelingt es Bollinger, sie in Leipzig wiederzufinden.

Der Autorin gelingt es, auf 125 Seiten ein wunderbares Kaleidoskop des Denkens und Fühlens zweier Personen zu gestalten, die sich beide als gescheitert betrachten und dennoch die Hoffnung auf ein gemeinsames Leben nicht aufgeben. Doch nicht nur das, auch in den Nebenfiguren ihres Romans schafft sie jeweils sehr ausgeprägte Persönlichkeiten, mit denen sich die beiden Protagonisten auseinandersetzen.

Renate Hedemanns Roman ist, obwohl er ein offenes Ende hat und das kriminalistische Geschehen nur den Hintergrund bildet, von solcher Spannung, dass er zu der Kategorie von Büchern zählt, die man, einmal angefangen, nicht wieder aus der Hand legt, da er unweiger¬lich in eine eigene Persönlichkeitsauseinandersetzung führt. Der eigentlich komplexe Hand¬lungsverlauf ist einfach und in klaren Strukturen gezeichnet, führt zu keinen Verwirrungen, der flüssige Sprachstil macht das Lesen zu einem großen Vergnügen.

 

 

Renate Hedemann
1945 in Sachsen-Anhalt geboren, auf­gewachsen in
Leer, nach dem Abi­tur 1967 Studium an der Päda­gogi­schen Hochschule
Hannover, seit 1971 auf eigenen Wunsch als Lehrerin an der Grundschule
Großheide in Ostfriesland als Lehrerin tätig, nach 35 Jahren in den
Ruhestand gegangen.
Das Schreiben von Geschichten und Gedichten gehörte schon früh zu ihren
Hobbys. Veröffentlichungen u. a. im ‘Ostfriesland-Magazin’ und in
verschie­denen Anthologien. 2008 erhielt sie im Rahmen der Berner
Bücherwochen den Sonderpreis des Geest-Verlages für eine Erzählung in
der Anthologie ‘Zwi­schenzeiten’.
Seit ihrer Pensionierung ist sie Gast­hörerin an der Uni Oldenburg in der Ger­manistik.