Cansu Celik - Abschied von einem Engel (Jugendliche melden sich zu Wort am 19. Januar)
Hördatei:
Abschied von einem Engel
Es war der zweite Februar 2006, da schaute mich ein Engel an. Er hatte grüne Augen, war so klein, dass ich Angst hatte, ihn zu berühren.
Du warst mein Bruder. Die Zeit, die ich mit dir verbrachte, war die Zeit meines Lebens, die ich nie vergessen werde. Es war wie ein Traum, der zu Ende ging.
Mein Engel. Du kamst, wolltest dich nur kurz zeigen und gingst wieder. Du hast mir den schlimmsten Schmerz zugefügt. Meine Eltern und ich haben von den Ärzten erfahren, dass du Krebs hast, Es war ein Schock für uns. Ein paar Tage später hat dein kleines Herz aufgehört zu schlagen. Nur ich ganz allein sah, wie die Ärzte versuchten, dich wiederzu-beleben, aber du wolltest nicht. Nur ich sah, wie sie mit einem weißen Tuch dein kleines Gesicht zudeckten. Unsere Eltern kamen. Unser Vater war so tapfer, er sagte: „Auf Wiedersehen, mein Sohn! Du bist in guten Händen.“
Unsere Mutter sagte nichts, sie war wie ich, denn wir waren vor Trauer blind, taub und sprachlos. Das Schlimmste für mich war, dass du am 18. März 2006 gingst, genau an meinem Geburtstag. Von da an war es auch mein Todestag. Ich war doch mutiger als unsere Mutter. Ich nahm dich auf den Schoß und wusch deinen leblosen Körper. Ich küsste ihn und zog dich sauber an. Ich umarmte dich, gab dir einen letzten Kuss auf deine Stirn. Ich atmete deinen Duft ein und flüsterte dein Lieblingslied in dein Ohr.
Es war Zeit, Abschied zu nehmen. Wir brachten dich in dein Grab. Meine Eltern und ich wollten dich hineinlegen und dir eine deiner Lieblingsgeschichten vorlesen. Wir taten es auch. Jetzt deckten wir dich mit kalter Erde zu, mein Leben. Unser Vater hielt unsere Mutter fest. Unsere Mutter war kraftlos wie ich, aber ich wollte stark bleiben. Alle sagten: „Auf Wiedersehen.“ Der Hoca las sein Gebet. Mein Herz wurde kalt, ich spürte nichts. Ich wollte mit dir allein sein und das Grab umarmen, die Erde so küssen, als ob es deine roten Lippen wären. Ich weinte. Die Wolken spürten meinen Schmerz und wein-ten mit. Es regnete, doch ich blieb bei dir.
Mein Baby, wieso musstest du gehen? Wieso hast du mich, deine Schwester, alleine gelassen? Ab jetzt kann ich nur hoffen, dass es dir gut geht. Ich bete Allah an, dass er dich, meinen Bruder, beschützt. Auf Wiedersehen, mein kleiner Bruder. In ewiger Liebe, Deine Schwester.
Cansu Celik ( 16 Jahre )