Woldemar Herdt - Ich schreite im Wald (russlanddeutsche Autoren stellen sich vor am 19. März)

Hördatei: 

Ich schreite im Wald

Ich schreite im Wald. Die Raben,
sie schreien so unerhört,
als sei ich noch immer der Knabe,
der einst ihre Nester zerstört.

Verzeiht mir! Bin jetzt schon bei Jahren,
bin viel schon im Leben gereist
und habe es selber erfahren,
was Obdachlosigkeit heißt.

HERDT, Woldemar, 25.12.1917 Seelmann an der Wolga -17.11.1997 Sawjalowo
(Altai). Lyriker, Erzähler, Kritiker und Nachdichter. Nach der Schule
Besuch der Bauernjugendschule und 1935 Abschluss des Pädagogischen
Technikums in Marxstadt, anschließend Lehrtätigkeit, 1941 Deportation in
den Nordural, Zwangsarbeit als Bohrmeister, von 1962 in Sawjalowo und
Arbeit an der Zeitung bis zur Pensionierung 1977. Schrieb Gedichte,
Poeme, Erzählungen, Schwanke, Fabeln, Skizzen und literaturkritische
Notizen. War ein feinbesaiteter Lyriker, konventionell und unter starkem
Einfluss der russischen Klassik. Eine Vielzahl von Veröffentlichungen
in Zeitungen, Zeitschriften, Almanachen und Sammelbänden. In seinem Poem
„Wolga, unsere Heimat" verarbeitet er lyrisch das Schicksal seiner
Landsleute.

 

aus: W. Mangold: Rußlanddeutsche Literatur. Lesebuch. Stuttgart 1999