Die Ruhr.2010 und die Bosch-Stiftung ermöglichten der Erich Kästner-Gesamtschule eine wunderbare Schreibwerkstatt.

Mehr als nur ein kleines Buch

Die NRZ berichtet über das Schreibwerkstattprojekt (dort auch die Bilder zum Bericht zu sehen, einfach klicken)

Essen, 19.11.2010, Hans-Karl Reintjens

Foto: Klaus Micke

 

Essen. Die Ruhr.2010 und die Bosch-Stiftung ermöglichten der Erich Kästner-Gesamtschule eine wunderbare Schreibwerkstatt.

Moritz, das Pony, ist blind, hat aber ein Rotkehlchen als Freund, das ihm zum Geburtstag kleine Geschichten schenkt, Geschichten über Lieblingsorte. Es ist eines dieser vielen kleinen, einfach wunderbaren Kulturhauptstadt-Projekte, eines von rund 1000 im 2010-Jahr: „Hallo Moritz Ja, anders in Essen, ja ...“ lautet der ungewöhnliche Titel eines erstaunlichen Buches, das gestern im NRZ-Forum an der Sachsenstraße vorgestellt wurde. Die Autoren sind allesamt Schüler der Erich Kästner-Gesamtschule in Freisenbruch.

Lieblingsorte in Essen

Gefördert von der Robert-Bosch-Stiftung in Stuttgart, angeleitet vom deutsch-spanischen Autor, Dichter und Chamisso-Preisträger José Oliver, haben fünf Monate lang 20 Jugendliche geschrieben, jeder eine persönliche Geschichte über seinen Namen, vor allem über seinen Lieblingsort in Essen: Cansu, als Schwan auf der Ruhr, Marco, die Hafenstraße und seine Liebe zu RWE, Laura und ihrLieblings-Wald hinter ihrem Haus.

Es ist einmal mehr auch ein Beispiel dafür, was Schule leisten kann, wenn engagierte Lehrer an einem Strang ziehen und Mitstreiter in der Stadt finden. Insgesamt hatten sich 45 Jugendliche der Jahrgangsstufen 9, 11 und 12 für das Projekt bei Deutsch-Lehrer Artur Nickel beworben, das an der schon traditionell literarisch geprägten Gesamtschule am Pinxtenweg mit seinen vielen Schreibwerkstätten einen besonderen Rang einnahm: Nur fünf Schulen im Ruhrgebiet wurden von der Bosch-Stiftung für das Projekt berücksichtigt, das auch zeigen sollte, dass „viele Kulturen – eine Sprache“ sprechen können, so der Titel. Unterstützung kam in Essen vom Lesebündnis (siehe Box). Es ist auch ein Beispiel für Multikulti, „in diesem Fall ein geradezu poetisches“, meint José Oliver.

In Husnia (19), Viktoria (18), Andreas (15), Cansu (18) oder Virginia (16) hat es die Freude am Schreiben geweckt. Sie alle streben das Abitur an, können gute Noten vorweisen, dies war eine der wesentlichen Bedingungen, um einer von 20 Autoren zu werden. Anstrengende fünf Monate liegen hinter ihnen, vier Tage im Monat wurde geschrieben, zuletzt bis in die Sommerferien hinein. Der Schulstoff musste nachgeholt werden. „Mancher Kollege hat vor Arbeiten Extrastunden für die

Tag des Lesens

Essener Lesebündnis

Ums Lesen werben, Menschen zum Lesen bringen, sie zum Buch führen, dieses Ziel hat sich das Essener Lesebündnis gesetzt und feiert am Freitag, den 26. November, den „Tag des Lesens 2010“. NRZ-Redakteurin Kathrin Martens wird an drei Grundschulen aus ihrem Buch „Essen für dich – ein Stadtführer für Kinder“ vorlesen. Für alle 180 Lesepaten, die regelmäßig in Kitas und Schulen vorlesen, wird es um 16 Uhr in der VHS eine Dankeschön-Party geben, zu der OB Reinhard Paß, Schauspiel-Intendant Christian Tombeil – und das Duo „Hagin & Himstedt“ erwartet werden. Das Lesebündnis sucht weiterhin Paten: Tel. 2202-770

Jugendlichen eingeschoben“, erzählt Artur Nickel. Alle an der Schule haben das Ruhr 2010-Projekt getragen. „Es war für uns eine einmalige Erfahrung“, sagt Viktoria, „weil José Oliver uns gezeigt hat, wie wir ganz persönlich mit Sprache umgehen können.“ Oliver, so beschreibt es Artur Nickel, „hat den eigenen Stil der Jugendlichen herausgearbeitet.“ Die Autoren, findet Ria Jansenberger für die Ruhr 2010, „haben eine eigene Welt geschaffen“.

Reitstall in Leithe

Viktoria beispielsweise hat ihren Reitstall in Leithe vorgestellt, ihren Lieblingsort, mit dem blinden Pony Moritz, die Rahmenhandlung des Buches. Oder Andreas, der die Ruhr beschreibt. Darüber ist er noch ein wenig verlegen: „Mit dem Fluss verbinde ich viele Erlebnisse.“ Oder Husnia, deren Lieblingsort die Stadtbibliothek ist. Die Stadtbibliothek? „Das ist meine Kindheit, ich bin dort so oft gewesen, zwischen all diesen Büchern. Ich war alleine und doch unter so vielen Menschen.“ Am Ende fügen sich die Geschichten zusammen zu einem romanhaften Essener Reiseführer.

Leider, muss man sagen, wird nur eine kleine Serie des Buches aufgelegt. Spätestens beim Lesefest in Dortmund dürften die letzten Exemplare verkauft sein. Die Schule überlegt noch, ob sie die Texte auf ihrer Internet-Seite veröffentlicht – und hofft, dass die Bosch-Stiftung 2011 eine neue Schreibwerkstatt eröffnet. Der Schule wär’s zu wünschen.