Wechselseitige Mauerschatten - Weserkurier mit Buchbesprechung zur Premiere von 'Mauerschatten' von Helga Bürster und Marianne Pumb
Deutsch-deutsche Lebenserfahrung im Zwiegespräch
- 21.07.2011
Wechselseitige "Mauerschatten"
Tragende Figuren sind Hilde (West) und Gunda (Ost). Ebenso wie Unterschiede zwischen ihnen gibt es auch Gemeinsamkeiten. Eine davon ist, dass beide beschlossen haben, ihren 50. Geburtstag im Berliner Nobel-Hotel Adlon zu feiern - allein. Doch daraus wird nichts, weil Hilde Gundas bis dahin gelungene Verteidigung des freien Stuhls an ihrem Tisch ("mein Mann kommt gleich") einfach ignoriert und sich trotzdem setzt. Die Szene bildet den Rahmen für die West-Ost-Begegnung. Denn nachdem die beiden eine anfängliche Schweigemauer überwunden haben, erzählen sie sich gegenseitig ihr Leben.
Der schriftstellerische Kniff dabei: Nicht nur beim Schildern ihrer bisherigen Erlebnisse, sondern auch bei der Beschreibung des Gesprächs selbst wechseln sich die Frauen ab. Während die Handlung weitergeht, ändert sich so immer wieder die Perspektive, und die Leser beziehungsweise Hörer erfahren erst einmal, dass Gunda Hildes Unverfrorenheit mit einem - freilich nicht laut gesagten - "blöde Ziege" quittiert.
Im Heuerhaus spiegelte sich diese Struktur auch darin wider, dass Helga Bürster und Marianne Pumb mit verteilten Rollen lasen. Den Besuchern der Buchvorstellung vermittelte sich so das Gefühl, quasi als dritte Person mit am Tisch im Adlon zu sitzen. Während Getränke von Leitungswasser bis Chablis das Gespräch flüssig halten, entwickelt sich mitunter eine zu Herzen gehende Dramatik. Das natürlich weniger bei Fragen wie, ob man im Luxus-Hotel einen Badewannenbutler braucht oder ob man im Wellness-Pool ertrinken kann, sondern wenn die beiden von schicksalhaften Ereignissen berichten. Die sind mal einfach nur persönlich und ganz unabhängig von West und Ost, haben des öfteren aber auch mit der früheren politischen Realität der beiden deutschen Staaten zu tun.
Hildes Ex-Beziehung zu Kurt, der sich vom glühenden Marxisten zum Börsenmakler gewandelt hat, nimmt sich da vergleichsweise harmlos aus zu dem, was Gunda widerfahren ist. Ihr Partner Johannes, mit dem sie drei Söhne hat, hat öffentlich Kritik am DDR-Regime geübt und sich später das Leben genommen, weil er seinen besten Freund im Stasi-Verhör verraten hat. Gunda bereitet das noch immer Schuldgefühle, weil sie dagegen war, einen Ausreiseantrag zu stellen.
So schwer freilich geht es nicht immer zu. Im Gegenteil, die beiden Autorinnen entwickeln ihre oft lustigen Dialoge mit viel hintergründigem Wortwitz. Der optimistische Schluss entließ das Publikum denn auch gut gelaunt. Viele Besucher nutzten anschließend noch die Gelegenheit, sich Bücher von den Autorinnen signieren zu lassen.
Helga Bürster und Marianne Pumb: Mauerschatten. Geest-Verlag, Vechta 2011, 144 Seiten, elf Euro.