In der lektoralen Arbeit: Heiko Schulze: Lenethun - Aufstand gegen Rat und Klerus

Heiko Schulze

Lenethun: Aufstand gegen Rat und Klerus

Ein historischer Roman

Einführung von Karsten Igel

Nachwort von Karin Jabs-Kießler

Geest-Verlag 2011
 

Osnabrück 1488: Mit ausdrücklicher Billigung des Osnabrücker Bürgermeisters Ertwin Ertman zäunen Domherren und Großgrundbesitzer vormalige Gemeindeweiden ein. Osnabrücks "Ackerbürger" können ihr Vieh nicht mehr - wie gewohnt - auf die Stoppelfelder in der Feldmark treiben. Die Stadtbevölkerung empfindet den Schritt als empörend. Unruhe gärt schon lange. Der letzte Tropfen bringt das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen.
  Anlass zur Unruhe sind reichlich vorhanden: Der pompöse Bau eines des neuen Rathauses (wird 1512 fertig), der Abriss funktionstüchtiger Häuser für die Herrichtung eines repräsentativen Marktplatzes, eine Sondersteuer, um für hohen Schulden des Rates aufzukommen, teure Kriege, an denen Ertman persönlich verdient, Wut und Hass gegen Domherren und Pfarrer, die es sich steuerfrei gut gehen lassen: Alles entlädt sich in einem Aufstand, den der Schneidermeister Johann Lenethun anführt. Alles scheint für die Aufständischen zu sprechen: Die Stadtschützen laufen zu ihnen über, die Einfriedungen der Herrschenden werden eingerissen und abgebrannt, die Feldmark gehört bald wieder allen. Doch die Herren im Rat, allen voran Ertman, agieren geschickt: Aufträge, Posten und Karrieren schwächen die Protestfront, in der Lenethun am Ende isoliert wird. Im Mai 1490 wird der wackere Schneider auf dem Marienkirchhof enthauptet. Die Herrschenden haben wieder einmal gesiegt.
  Heiko Schulzes ungemein spannender Roman, der sich akribisch an historische Überlieferungen hält, entführt uns eindrucksvoll in das Osnabrück des Spätmittelalters. Der Autor bedient sich eines Ich-Erzählers, dem Gaukler Bruno Bringewatt, der die Leserschaft auf sehr persönliche Weise in das Geschehen einbezieht. Plätze und Menschen werden in anschaulicher Weise zum Leben erweckt und werfen ein Licht auf Probleme, von denen so manche noch heute brandaktuell erscheinen.
Druck und Vorstellung  des im Geest-Verlag erscheinenden Romans sind für den Spätsommer geplant. Allemal früh genug, um als legitimer Kontrast zur stadtoffiziellen Geschichtsschreibung zu wirken. Im kommenden Jahr, wenn sich zahlreiche offizielle Aktivitäten um das Motto "500 Jahre Rathaus" drehen, sollte man sich gelegentlich an Geschehnisse und  Botschaften des Romans erinnern. Es lohnt sich.