Interview mit der Vlothoer Zeitung über Wolfgang Buchhorns neuen Gedichtband 'Sprich zu mir, dass ich es hören kann' - Ermutigung zur Sinnsuche
Vlothoer Zeitung Donnerstag, 11. August 2011
Von Reinhard Kehmeier
Vlothoer Wolfgang Buchhorn veröffentlicht seinen dritten Gedichtband – Ermutigung zur Sinnsuche.
Vlotho (WB). Der Vlothoer Meditationslehrer und Autor Wolfgang Buchhorn (68) hat seinen dritten Gedichtband veröffentlicht. Tod und Trauer, kurz: das Abschiednehmen, sind dessen zentrale Themen. Für den einen oder anderen mögen sie wenig passend erscheinen in dieser Jahreszeit. Doch der Tod ist auch im Sommer zu Hause und verschont auch nicht den Sommer des Lebens.
»Ein Ort voller Geschichten und Geschichte. Des Abschieds ohne Wiederkehr«, so beschreibt der studierte Historiker und Seminarleiter Friedhöfe in einem gleichnamigen Gedicht:
Fremde Orte
Unvertraut
Orte des kurzen Verweilens
Der Ruhe
Anvertraut den stillen Tränen
Orte der Begegnung von Leben
und Tod und Leben
Der Erschütterung
Und der empfundenen Pflicht
Wie der Freiheit
Ein endlicher Ort
Endlich ein Ort der Liebe
Wolfgang Buchhorn ist ein Beobachter, am Caféhaustisch, in der Bahn, im Restaurant, wo er seine Gedanken zu Papier bringt. Besonders häufig ist dies in Frankreich der Fall. Seit er vor fünf Jahren an der Vlothoer Bildungseinrichtung »Stätte der Begegnung« in den Ruhestand verabschiedet worden ist, reist er öfter noch als früher. Vor allem im warmen, sonnigen Süden des westlichen Nachbarlandes sind auch die Gedichte seiner ersten beiden »Loslassbücher« entstanden, die ebenfalls im Geest-Verlag erschienen sind. Papier und Stift sind für Wolfgang Buchhorn, der drei Viertel des Jahres außerhalb seiner Vlothoer vier Wände verbringt, stets in greifbarer Nähe. Meditationsseminare hält er nach wie vor in Vlotho und Bielefeld, Bayreuth und Radolfzell.
Viermal hat der ungebundene Senior bereits in diesem Jahr Frankreich bereist, wo er, wie er feststellte, am besten schreiben kann, »weil die Gedanken nur so fließen. Dort bin ich unbelasteter, entspannt im hier und jetzt«, meint der ausgebildete Psychologe. Schauen und flanieren, die Atmosphäre aufnehmen, das mag er besonders – ob in Paris oder Aix en Provence, der alten Universitätsstadt nahe des Mittelmeeres. Das genießt er und findet dabei Impulse zum Schreiben.
»Das erste Buch war das schwerste«, räumt der Autor ein, »denn eigentlich scheue ich die Öffentlichkeit. Mein Arbeitskollege Andreas Luckey musste mich überreden.« Er ist Pantomime, ebenfalls in der Stätte der Begegnung tätig und beteiligte sich an der Bebilderung der vorangegangenen ersten beiden Lyrik-Bände.
»Sprich zu mir, dass ich es hören kann«, steht auf dem Buchdeckel des aktuellen Werkes, darunter ist das Bild eines scheinbar sterbenden Baumes zu sehen. Doch irgendwo schiebt sich ein noch zartes Grün aus der Rinde: Das Leben geht weiter.
In Frankreich hat Buchhorn eine Wandlung erlebt, als er voll Trauer und Betroffenheit am Grab eines kurz zuvor verstorbenen Künstlers stand. »Von einer auf die andere Sekunde fühlte ich mich in einer Gewissheit aufgehoben und eingebettet, die alle Trauer wegwischte«, erzählt der Autor, »dabei bin ich nicht religiös im herkömmlichen Sinne, vielleicht im tiefsten Sinn. Das dort Erlebte ist für mich nicht benennbar.«
Mit seinen Erfahrungen möchte der Vlothoer Hilfen geben beim Abschied, der immer wieder nötig ist und bei der Sinnsuche: ob es um alte Gewohnheiten, den Wohnungswechsel oder um andere Abschiede, etwa in zerbrochenen Partnerschaften, geht oder schließlich um das Loslassen des eigenen Lebens. Buchhorn ermutigt dazu, sich näher mit dem Leben und seiner oft verborgenen Tiefe zu beschäftigen und dem Besonderen auch im Alltäglichen zu begegnen: »Den Sinn muss jeder selber suchen und finden. Ich will keine Ideologie oder Heilsbotschaft verkaufen.« Der Autor wünscht sich Leser, die den eigenen Geist weiten möchten und bereit sind, sich zu wundern. Für sich selbst möchte er – dazu befragt – einen Abschied, den letzten, bei Bewusstsein erleben, »nicht zugedröhnt mit Medikamenten. Darauf bin ich neugierig.«
Er hat in der eigenen Familie erfahren: Nicht jeder will begleitet sein in seiner letzten Stunde. Da gibt es einfach kein Schema, das für alle gültig ist. Schön sei er nicht, der Tod. »Aber wir müssen uns nicht unbedingt fürchten.« Ihm geht es schließlich darum, abschiedlich leben zu lernen.
Buchhorn bedauert, dass die »ars moriendi« des Mittelalters, die Kunst des Sterbens, vielfach nicht mehr wahrgenommen wird. »Wenn man den Tod ausblendet, dann blendet man das Leben aus.« Die Vergänglichkeit selbst großer Weltreiche inspiriert Buchhorn. Den Niedergang sieht er begründet in einer unmäßigen Ausbreitung der Lust- und Spaßgesellschaft, auch der Verantwortungslosigkeit: »Darauf kann keine Kultur bauen.«
Der spät gestartete Schriftsteller möchte mit seinen Gedichten den Lesern helfen, Angst zu mindern. »Nicht wegzureden, sondern zu mildern. Die gegenwärtige Zeit ist voller Angst: vor Fremden, vor der Zukunft, einer Wirtschaftskrise, vor dem Islam...«
Sein Credo für alle Lebenslagen ist ein kurzes Gedicht, nur einen Satz lang:
Inmitten der Unwetter
Sorgen und Tode
bleibt die Welt
freundlich