Dieter Wöhrle - Worte an Berlin (Gedicht des Tages)

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Worte an Berlin


Verändert hast du dich mit jedem Jahr,
nur wenig hat den Wandel überstanden.
Man nimmt das Alte manchmal kaum noch wahr,
sieht Glaspaläste, wo Baracken standen.
Doch Kräfte wirken fort, die uns verbanden.
Dabei sind Langzeitkräfte doch so rar.


Ertrugst, was fand auf deinen Straßen statt
und sich Geschichte nennt, seit vielen Jahren.
Und deine Haut ist lang schon nicht mehr glatt.
Doch wirkst du auch mit Falten, weißen Haaren
noch immer attraktiv auf Zuzugsscharen.
Hast du denn nie den ganzen Trubel satt?


Wenn jemand dir gesteht, dass er dich liebt,
und innige Gefühle dir beteuert,
so trifft er deinen Ton nicht und begibt
auf Glatteis sich, denn du krähst angesäuert:
„Hör uff hier rumzujaulen! Wohl bescheuert?!“
Wer dir mit Kitsch kommt, hat nun mal versiebt.


Doch lächelnd macht dich diese junge Frau.
Mit Ostakzent zu ihrem Dalmatiner
sie spricht: „Sollst haben Wurst, is kalt und grau.“
und teilt sich mit dem Hund ´ne lange Wiener.
Sie ist nicht deutsch, jedoch sie ist Berliner.
Du schmunzelst und verstehst sie ganz genau.


Denn du verstehst, was zählt auch hier und heut,
nimmst in dir auf und integrierst das Neue.
Noch nie hast du vor Fremden dich gescheut.
Es lag schon immer darin deine Schläue,
dass stets dem Wandel hieltest du die Treue.
Das bleibt. Und ändert sich nicht einen Deut.


Berlin, 30.8.2011