Jugendliche reflektierten ihre fiktive Rolle in den Jahren des Nationalsozialismus

Über den ganzen Tag arbeiteten gestern die Jugendlichen des Seminarfachkurses des Gymnasiums Bad Zwischenahn mit großer Intensität zusammen mit ihrer Lehrerin Christine Metzen Kappe und Verlagsleiter Alfred Büngen noch einmal an ihrem Projekt 'Ausgrenzung im Nationalsozialismus am Beispiel Bad Zwischenahn'.

Im Laufe des Projekts hatte jeder der Jugendlichen die Rolle eines Schüler einer fiktiven Oberstufenklasse durchlaufen und hatte auf dem Hintergrund feststehender biographischer Hintergründe Entwicklungen genommen, die in einzelnen Reflektionen festgehalten wurde. Gestern wurden nun die letzten Entwicklungsschritte am Ende des Krieges vollzogen. Am Ende des Krieges reflektierte jeder der Schüler noch einmal sein fiktives Leben. Wie waren meine Erwartungen, was ist passiert, was ist aus mir geworden.

Das Ergebnis waren tatsächlich ergreifende Reflexionen,  die auch viele der Schreiber sehr emotional ergriffen haben.

Jetzt geht es an die Dokumentation des Schreibprozesses, der sich über ein Jahr hinzog. Im Februar/März dieses Jahres soll er dann als Buch erscheinen. Ein sicherlich ganz besonderes Projekt, das vielerlei Aufwand rechtfertigte.

Unser Dank gilt allen Schülern, allen Gesprächspartner etc., die in unterschiedlichster Weise an diesem Projekt teilgenommen haben und den Jugendlichen ein besonderes Erfahren und Lernen ermöglichten.

 

Hier ein Beispiel der Reflexionen des fiktiven Schülers Bernd, geschrieben von Moritz Wempe, der als 'wandervogel' seine Einberufung zum Wehrdienst erhät, irgendwann nach Stalingrad kommt, verletzt wird, dann noch in Köln gegen die vorrückenden Allierten kämpft. Direkt nach dem Krieg wird er Lehrer, auch um seine musikalische Leidenschaft umzusetzen.

 

Rückblick
Leid. Nur Leid brachte mir die Nazizeit. Die Zeit an der Front hat mich sehr geprägt. Ich denke ich bin erwachsener geworden. Das schöne Zelten und Wandern ist nicht das wahre Leben. Hass, Furcht, Tod. Das bleibt einem letztlich im Sinn. Das ist es, was einen prägt. Die schrecklichen Dinge des Lebens. Die Zeit in Stalingrad war die schlimmste Zeit meines Lebens. Aber ich hatte Glück im Unglück, ich habe überlebt. Ich habe so viel Leid gesehen, so viele Menschen sterben. Kameraden, Freunde, Feinde… Es war schrecklich. Und wofür? Ich frage mich bis heute wofür und finde keine Antwort.
Stalingrad war die Hölle auf Erden. Ich muss mich immer wieder dran erinnern, wenn ich meine Hand angucke. Drei verlorene Finger an der linken Hand kann man nicht übersehen, vergessen, gar verdrängen … Aber letztlich war dies der Grund für mein Überleben. Ich kam zurück nach Deutschland. Ich dachte ich wäre dort sicherer vor dem Krieg. Vor dem Elend. Vor dem Hass. Aber nein. Ich täuschte mich. In Köln durfte ich wieder das „heilige“ Vaterland verteidigen. Was ein Glück das meine Einheit nicht nur aus Patrioten bestand. Wir lösten uns auf und ich kam endlich zurück nach Bad Zwischenahn. Da wo ich hingehörte und leben wollte. In Bad Zwischenahn hatte sich kaum etwas geändert. Wenn ich mir die Zerstörung in Köln in Erinnerung rufe, scheint es so als wäre hier kein Krieg gewesen. Nur die Personen haben sich geändert. Keiner steht mehr auf der Seite der Nazis, alle wollen damit nichts zu tun gehabt haben. Aber wie kann man es ihnen verübeln. Auch ich war im Krieg für Deutschland. Es war ein Zwang, man konnte nicht entweichen, unmöglich. Ich habe Menschen getötet, ich schäme mich dafür, doch was hätte ich tun sollen?
Ich versuche einfach das Beste daraus zu machen. Ich versuche der Jugend beizubringen, dass Krieg keine Lösung sein kann. Also studierte ich auf Lehramt. Geschichte und Musik. Die Deutsche Geschichte ist zu wichtig, um sie in Vergessenheit geraten zu lassen. Deutschland sollte daraus lernen. Die Musik hilft mir bei der Verarbeitung des Geschehenen. Doch wie sollte ich das ganze Leiden nur verarbeiten?
Die BRD ermöglicht mir das Denken, dass ich vertrete, zu verwirklichen. Ich habe Angst, dass aus zu viel Freiheit wieder etwas Ähnliches wie Hitler entstehen könnte, doch die BRD hat genaue Richtlinien, die eine solche Entwicklung verhindern soll. Ich setze viel Vertrauen in die BRD. Ich hoffe sehr, dass die Deutschen ein neues Denken entwickeln können.