Dieter Wöhrle - Vier Wochen Lebensglück (Gedicht des Tages)
Hördatei:
Dieter Wöhrle
Vier Wochen Lebensglück
Das Leben Kurts war leer und öd.
Er ging den Leuten auf die Pelle.
Sie fanden auch sein Hobby blöd:
die neuen Eisenbahnmodelle.
Er wohnt´ bei Muttern, Hinterhaus.
Das konnte kaum ihn inspirieren.
Und abends dann, im „Treff“, bei Klaus,
blieb nur, die Barfrau anzustieren.
Doch plötzlich wie ein Donnerhall
zerstob die triste Langeweile.
Das Leben hatte Sinn: Ein Ball
trieb Kurts Adrenalin zur Eile.
„Wir werden siegen, haben Lahm
und Schweini, Müller, Poldi, Klose!
Da werden Brasilianer zahm,
und England? Doch nur tote Hose!“
Im „Treff“ man lauschte. Nun sprach Kurt,
erklärte Löws Rezept, die Pläne:
“Wir spielen High Speed! Nur durch Spurt
im Tor der Gegner fliegen Späne!“
Vier Wochen lebte Kurt im Glück
und galt im „Treff“ als der Stratege.
Sein Lebenssinn – er war zurück:
Die Nationalelf hielt ihn rege.
Am Tag Büro, ab vier Uhr „Treff“:
Er fühlte sich wie Günter Netzer.
Gewähren ließ ihn selbst der Chef,
der sonst kaum aushielt diesen Schwätzer.
Doch Mitte Juli war´s vorbei:
die Spiele aus, und weg die Fähnchen.
Der Barfrau war es einerlei,
wenn Kurt kam. Sie trug Stähnchen.
Nun war sein Leben wieder öd.
Er ging den Leuten auf die Pelle.
Und auch sein Hobby fand man blöd:
die neuen Eisenbahnmodelle.