Weserkurier schreibt über die Juryarbeit zur Anthologie 'Trotz alledem' der Berner Bücherwochen

Arbeit der Bücherwochen-Juroren geht in die heiße Phase / Rund 1000 Einsendungen von Berne bis Australien

Vor der Bucherscheinung heißt es lesen

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Laienkritiker Franz Bittner. FOTO: HJO

Franz Bittner ist eine Leseratte. „Mein Tag ist geprägt durch lesen“, sagt der 60-Jährige. Der größte Teil des Lesestoffs sei dienstlich. Privat habe er sein letztes Buch im Winterurlaub gelesen, berichtet der Berner. Dann dürfe es ebenso gern Mal ein Dan Brown wie eine Patricia Highsmith sein.

Auf dem Dachboden seines Hauses stapeln sich die Bücherkisten, erzählt Bittner.

Erögffnung Bücherwochen Berne
Initiator Reinhard Rakow. FOTO: KOSAK

Ein Buch wegzuwerden, bringe er einfach nicht übers Herz. So zögen die Druckwerke immer wieder mit um und werden wohl noch einige Jahre ihr Dasein in Kisten und Kartons fristen, ohne je wieder angeschaut, geschweige denn gelesen, zu werden. In seiner Freizeit kann Franz Bittner derzeit trotzdem lesen, lesen, lesen. Und das sogar, ohne sich ein einziges Buch kaufen zu müssen. Sein „Futter“ bekommt der Berner von Reinhard Rakow und Alfred Büngen. Der Herausgeber und der Verleger verschicken den Lesestoff dabei noch nicht als gebundenes Druckwerk sondern als Dateiformat für den Computer.

Schließlich ist das Buch noch im Entstehen. 5,7 Megabyte misst die Textdatei, ausgedruckt ungefähr 550 DIN-A4-Seiten. Diese muss der Bürgermeister und Juror bis kommenden Sonntag durchgelesen – und benotet – haben. Deshalb nutzt Franz Bitter momentan jede freie Minute, um auf seinem Tablet von einer Geschichte zur nächsten zu scrollen. Vorzugsweise auf dem Liegestuhl im Garten. Sollte das Wetter die gemütliche Pose an der frischen Luft nicht zulassen, dann im Wohnzimmer.

Bis Mitte August hatten rund 350 interessierte Autoren ihre Beiträge für die vierte Auflage der Berner Bücherwochen an Reinhard Rakow oder den Vechtaer Geest-Verlag gesendet. Um die 1000 Geschichten und Gedichte kamen dabei zusammen. Die Ausschreibung hat sogar im weit entfernten Ausland, beispielsweise Australien, Georgien oder Japan für Aufmerksamkeit gesorgt.

Reinhard Rakow und Alfred Büngen haben die Einsendungen gefiltert und anschließend an ihre fünf Mit-Juroren weitergeleitet. So konnte sich Franz Bittner bereits während seines Sommerurlaubs in Lothringen nicht über einen Mangel an Lesestoff beschweren. „Im Urlaub konnte ich mehr Zeit aufwenden als hier“, gesteht der Laienkritiker. Zurück in Berne verblieben ihm nur noch circa zehn Stunden Zeit pro Woche, denn während der Dienstzeit sei der spannende Nebenjob natürlich tabu. Sein schwarzes Tablet lässt der Verwaltungschef an Arbeitstagen deshalb gleich zu Hause.

Gemischte Gefühle

„Es werden viele Lebensinhalte geschildert“, gewährt Franz Bittner einen ersten Einblick in die Manuskripte, die auf seinem Computer gespeichert sind. Lesen könne er sie nicht alle, räumt der Laienjuror ein. Sobald eine Geschichte ihn in den ersten Absätzen in den Bann ziehe, lese er weiter. Andere würde er überspringen.

Franz Bittner war mit gemischten Gefühlen in seine dritte Staffel als Berner-Bücherwochen-Juror gestartet. Das Motto „Trotz alledem“ sei für ihn negativ besetzt gewesen. Mit dem Schmökern stellte er allerdings fest, „dass häufig etwas Tolles herausgekommen ist“. Nicht das Scheitern stehe im Vordergrund, sondern das Überwinden von Hindernissen. Bittners Aufgabe ist es nun, sich zu überlegen, was er unbedingt ins Buch aufnehmen würde – und was in keinem Fall. Absprachen mit anderen Juroren gebe es nicht. Jeder Testleser gibt seine eigene Meinung ab. Die letztendliche Entscheidung, was in die Anthologie „Trotz alledem“ aufgenommen wird, liegt allerdings in den Händen von Reinhard Rakow und Alfred Büngen.

„Originalität geht vor literarische Qualität“ erläutert Reinhard Rakow. „Wir könnten zum Thema „Krankheit überwinden“ zehn Texte veröffentlichen. Da müssen wir uns entscheiden.“ Die Anthologie solle eine Vielzahl rarer Themen vereinen. Zudem sollte mindestens ein Drittel des Buches mit regionalen Autoren besetzt sein.

Franz Bittner freut sich bereits auf den 11. Oktober. Dann beginnen die vierten Berner Bücherwochen. Bis zum 22. Dezember finden wieder zahlreiche Veranstaltungen an den unterschiedlichsten Orten in der Gemeinde statt. Mit besonderer Spannung erwartet der Juror die Autorenlesungen. „Die Texte erhalten dann einen anderen Tonfall. Man spürt, was dem Autor besonders wichtig ist.“