Wendelin Mangold - Fische
FISCHER
„Jesus aber nahm die fünf Brote und die zwei Fische, blickte zum Himmel auf, segnete sie und brach sie; dann gab er sie den Jüngern, damit sie diese an die Leute austeilten.Und alle aßen und wurden satt.“ (Lk. 9, 16-17)
Als ich in meiner Kindheit
angeln ging entlang
des glasklaren Bergflusses
im Norden des Urals,
zogen die Äschen meist*
an meinem Köder,
einem sich am Haken
windenden Regenwurm,
gleichgültig vorbei.
Ab und zu erbarmte sich
aber eine und schnappte zu.
Blitzschnell erkannte sie
die Gefahr und versuchte,
sich aus allen Kräften
vom Haken zu befreien.
Sie windete und wendete sich,
wehrte und krümmte und
schlug um sich - zum Schreck
des Fischschwarms.
Die Angelrute vibrierte und
spannte sich zu einem Bogen,
der die Angelschnur samt
dem Fisch aus dem Wasser
an den Strand katapultierte.
Er schnappte und schnappte,
die Kiemen öffneten sich weit:
Luft ist aber nicht Wasser
für Fische, sondern Wasser
für Mensch und Säugetier.
Meine linke Hand nahm
dankbar und begeistert
den Fisch ihn in Empfang
samt seinem Thymiangeruch.
*Die Äschen (Thymallus - bezugnehmend auf den charakteristischen, thymianartigen Geruch) sind die einzige Gattung der Unterfamilie Thymallinae innerhalb der Lachsfische.