Jenny Schon - Zum Hundertsten von Willy

Jenny Schon
Zum Hundertsten von Willy
(18.12.1913-8.10.1992)

Ja, er war’s
Der mir Berlin
Liebenswert machte
Möglich ein junges
Leben zwischen
Sich aufrichtenden
Horchpfosten
Erschlagen vom
Mauerwerk
Wenn ich die
Desinfektionshallen
In der Friedrichstraße querte
Die Ostbekanntschaft
Mit Westprodukten
Zu versorgen

Ja, er war’s
Dem ich im Wahljahr 1961
Zugearbeitet und für den
Schönen Erich
Wahlplakate klebte
Wir wollten den Alten in
Bonn nicht mehr
Wir Jungen und
Hofften auf Erich und Willy
Er blieb in Berlin
Und ich reiste ihm
Entgegen

Vater Brandt
Vertraut vom heimischen
Schwarzweißfernseher
Hatte die weiße
Weste die ich meinem
Vater absprach
Hatte das gütige Lächeln
Das meinem Vater
In der Kriegsgefangenschaft
Genommen Ach! wär
Mein Vater doch auch
Im Widerstand ich
Trat in die SPD ein
Und war schnell wieder draußen
Als Brandt mit Kiesinger
Gemeinsame Sache
Machte

Ja, er war’s
Der kniete in
Warschau 1970
Ich betete
In Theresienstadt 1963
Mit seinen Falken
Ja, wir waren stürmisch
Bis zum Radikalenerlaß
Dann haben wir verloren…
Ich bekam Einreiseverbot
In die DDR und wurde von
Der Gewerkschaft entfernt

Auch ich entfernte mich
…in die innere Emigration
Als alter Mann traf ich
Willy im ICC er war zum Greifen
Nah aber schon geschrumpft
Der Tod saß ihm im Nacken
Mein Vater war bereits gestorben
Ich hatte Akteneinsicht
Auch er war nicht in der Partei
Die ins Verderben geführt
Er wählte Willy bis zum Schluss