21.01.2020 - aktueller Autor - MAREC BÉLA STEFFENS

MAREC BÉLA STEFFENS …

… geboren 1964 in Hamburg, ist der Kater, der Märchen erzählt. Im Hauptberuf ist er promovierter Volkswirt und wird von Siemens durch die Welt geschickt. Zur Zeit lebt er mit seiner Frau Krystyna in den USA. Dies ist bereits sein fünftes Märchenbuch. Zuvor erschienen sind „Der Kater erzählt Märchen“, „Der Straßenbahn­schaffner von Venedig“, „Die Welt der Buchstaben“ sowie „Die Briefmarke von Dublin und der Grabstein von Prag“. In zehn Anthologien ist er vertreten, darunter in der Fest­schrift zum 70. Geburts­tag von Herbert Rosendorfer. Mit dem Weimaraner Komponisten Mario Wiegand arbeitet er an Opernprojekten. Szenen daraus wurden bei Opern­wett­bewerben des Genesis-Projekts London und der Kammeroper Schloß Rheins­berg aufgeführt.

Die Website des Autors: www.maerchenkater.de

 

Im Geest-Verlag erschienen:

 
DER RÄUBER THYMIAN UND DER APOTHEKER (Ausschnitt)

Es war einmal ein Räuber, der hieß Thymian. Das ist eigentlich kein richtiger Räubername. Er hatte Jaromir heißen sollen, wie sein Urgroßvater. Der Pfarrer war aber alt und schwerhörig gewesen. ‚Rosmarin‘ hatte er verstanden. Und während er sich noch zu besinnen versuchte, auf welchen Tag das Fest des Hl. Rosmarin fiel, war die Pfarrersköchin mit ihren Einkäufen vom Markt zurückgekommen. „Rosmarin und Thymian, Rosen, Blumen, Nelken …“, trällerte sie. Schon war das Malheur passiert – dem Herrn Pfarrer war das falsche Wort im Gedächtnis geblieben. (Seinen Namenstag feierte der Räuber dann übrigens am Tag des Hl. Thymotheus.)

Heute überfiel der Räuber Thymian eine Apotheke. – „Bitte, Herr Räuber“, wandte der Apotheker zaghaft ein, „wenn Sie vielleicht die Bank meinen, die ist eine Straße weiter.“ – „Nicht mehrrr“, gab der Räuber zu-rück. (Das rrrollende Rrr hatte er von seinem Urgroß-vater geerbt, nebst anderem Inventar, das ihm bei der Ausübung seines Handwerks zustatten kam.)

„Sie haben sie zugemacht. Die meisten Kunden benutzen jetzt Interrrnet-Banking, haben sie gesagt. Und ich, wie soll ich mit meinen zwei Pistolen und den drrrei Messerrrn denn ins Interrrnet gehen?“ Er spuckte mißmutig auf den Fußboden.
„Hier bei mir sind Sie aber auch an der falschen Adresse, Herr Räuber“, sagte der Apotheker. „Die Geschäfte gehen erbärmlich schlecht. Die Leute sind gesund, geradezu widerwärtig gesund. Eine wahre Seuche ist das!“ – „Oderrr sie kaufen ihrrre Medizin auch im Interrrnet und nicht mehrrr in der Apotheke“, überlegte der Räuber. „Aberrr ein bißchen Geld ist schon in derrr Kasse, nicht wahrrr?“ Und er klopfte auf seinen Gürtel, in dem die Pistolen und Messer steckten und auf ihren Einsatz warteten. Mit seinem flammend roten Räuberbart sah er wirklich eindrucksvoll aus.

„Zwei Stammkunden habe ich noch, doch der Umsatz ist nicht der Rede wert“, maulte der Apotheker. „Der Kater, der Märchen erzählt, kauft bei mir immer
Wacholder für seine Schlafkatze. Und der zweite Stammkunde kauft gar nichts. Ein Regenwurm ist es, und schrecklich kurzsichtig muß er sein. Stundenlang kauert er vor dem Schaufenster und schaut verliebt die Zäpfchen an.“

„Au weia“, stöhnte der Räuber. „Da wirrrd ja derrr Schnupftabak rrranzig.“ Und er spuckte noch einmal aus, nachdem er sich durch einen Blick in die Kasse davon überzeugt hatte, daß der Apotheker die Wahrheit sprach. „Herrrrrr Apothekerrr, so geht das nicht weiterrr. Wirrr sollten uns zusammentun. Ich hätte da einen Vorrrschlag.“