Leenen, Maria Anna - Momente aufblitzenden Lichts. Haiku
Maria Anna Leenen
Momente
aufblitzenden Lichts
Haiku
Geest-Verlag 2022
ISBN 978-3-86685-886-2
ca. 100 S., 10 Euro
Frühmorgen, Sommer
jetzt - die Glut steigt hoch
ein ungestörter Friede
noch schweigt die Stille
Autoren verwenden sehr unterschiedliche schriftstellerische Methoden und Ausdrucksweisen, ihre Themen, Sachverhalte oder Informationen den Leserinnen und Lesern zu vermitteln. Jedes Genre, jede Textgattung hat dabei seine Schwerpunkte und Ausstrahlungen. Breit ausgedehnte Erläuterungen, wortgewaltige Abhandlungen und monumentale Romane zum Beispiel haben durchaus eine eigene Faszination – allein schon durch die Fülle der Wörter.
Anders das Gedicht. Durch seine Form und sein Maß erzielt diese Textgattung eine gewisse Konzentration, auch und manchmal gerade durch die Begrenzung der Worte. In besonderer Weise gilt es hier, die japanische Gedichtform des Haiku zu nennen.
Für Maria Anna Leenen, die sich als langjährige Autorin im Bereich Theologie und Spiritualität einen besonderen Namen gemacht hat, wurden Haiku im Laufe der Jahre immer mehr zu einer spannenden Ausdrucksform, die für die Wahrnehmung eines Augenblicks zu sensibilisieren weiß und so den darin oder dahinter liegenden Impuls einzufangen vermag.
Ein Haiku soll gegenwärtig sein, kurz, konkret und offen. Es eignet sich meines Erachtens darum besonders dafür, auf das Licht, auch auf das göttliche Licht in der Schöpfung, aufmerksam zu machen. Die 17 Silben im Deutschen, in der Aufteilung von 5 – 7 – 5, die im Vergleich mit der japanischen Sprache sicherlich kritisch zu sehen sind, waren für sie eine Grenze, welche zunehmend eine poetische Kraft freisetzte. Mit ein Grund, sich in dieser Gedichtsammlung auf das Haiku zu fokussieren.
Einen ganz besonderen Blick wirft die Gedichtform des Haiku auf die überaus große Bandbreite der Schöpfung. Nicht eine Gesamtsicht ist hier das vorherrschende Thema. Eher wird mit achtsamer Neugier einzelnen Aspekten, oder besser einzelnen, oft kleinen und verborgenen Vorgängen ein kurzer Blick geschenkt. Wie beim ruhigen, vielleicht sogar meditierenden Schauen auf die Natur erwächst daraus eine plötzliche Einsicht, ein Verständnis und manifestiert sich im Wort.
Ein Haiku ist kein poetischer Text, der aus diesem Grund mal eben so gelesen werden sollte. Er braucht die Möglichkeit nachzuhallen, er braucht eine Art Raum des Geistes und des Herzens, in dem das dahinter Liegende spürbar, sichtbar oder besser hörbar werden kann.
Maria Anna Leenen, *1956 in Osnabrück, lebt seit 1994 als Diözesaneremitin im Bistum Osnabrück. Sie arbeitet als freie Autorin, Schwerpunkte ihrer Arbeiten sind Themen aus den Bereichen Spiritualität / Umwelt / Theologie. Zahlreiche Buchpublikationen und Veröffentlichungen.
Zuletzt: Einsamkeit schafft Raum, Paderborn 2014, Von Ziegen lernen heisst Leben lernen, Paderborn 2014, Ganz weit draußen, Roman, Asslar 2016, nachtstill geplündert. Gedichte aus drei Jahrzehnten, Würzburg 2016, Ziegen wie du und ich, Asslar 2019, Musik meines Lebens, Paderborn 2020, Fülle. Die schöpferische Kraft der Natur. Weisheiten einer Eremitin, Paderborn 2022.