Felde, Swetlana: Im Land der untergehenden Sonne

Felde, Swetlana
Im Land der untergehenden Sonne
Geest-Verlag 2005-05-02
ISBN 3-937844-54-6
10 Euro

 

Im Land der untergehenden Sonne

Swetlana Felde Im Land der untergehenden Sonne
(Prosa in russischer Sprache))
Grafiken von Daniela Huetzen

 

Vorwort zum Buch von Swetlana Felde
"Im Land der untergehenden Sonne": Erzälungen in Russisch,

Die Gabe eine Frau zu sein

Der Geest-Verlag bietet den Lesern den ersten Erzählband "Im Land der untergehenden Sonne" der ehemaligen Journalistin aus Alma-Aty Swetlana Felde an, die vor einigen Jahren aus Kasachstan nach Deutschland umsiedelte.
Die Prosa von Swetlana ist organisch, schlicht, stillvoll und psychologisch tiefgründig. Ihre schrille, dynamische Erzählart bei solch ewigen Themen wie Leben und Tod, Gut und Böse, Harmonie und Disharmonie, Verlust und Gewinn auf dem Weg zur Gerechtigkeit und Sieg über dunkle Mächte wirkt sehr gewinnend durch die lyrische Melancholie ihres Herzens und das genaue Hinschauen auf den Boden der Tatsachen, dank ihren analytischen Fähigkeiten. Die besten Erzählungen erinnern an Sagen, Legenden. Egal worüber sie schreibt - über den Alltag, der oft hart und ungerecht ist, über Kunst, Liebe oder ihre Abwesenheit - ihre Erzählungen sind immer eine Einladung für den Leser in ihre Gedanken- und Gefühlswelt. Jede Zeile ist durchdrungen von ihrer eigenartigen Intonation, der Tiefe ihrer Schlussfolgerungen. Einige Erzählungen sind so genau und bildhaft geschrieben, mit solchem unverhofften Ende, dass der Leser sie gerne noch einmal liest und genießt.
Eine solche Erzählung hat den Titel "Wir werden lang und glücklich leben". Ihre Protagonistin, die in einer intellektuellen Familie aufgewachsen ist, taucht in für sie früher unvorstellbare Lebensbedingungen ein, wo es keine für sie früher wichtige Werte gibt. Der Autorenposition merkt man sofort an einem ironisch distanziertem Erzählton und Andeutungen: "Als Dascha den jungen Mann Namens Mitja heiratete, dessen Vater ein Alkoholiker war und an Leberzierrose starb und die Mutter auf der Straße in einer Pfütze verfror, da sie auch zu viel getrunken hatte, saß sie die ganze Hochzeitsnacht auf dem Sofa, während ihr Ehemann im Schlafzimmer laut schnarchte und ein Schluckauf im Schlaf bekam, und sah sich das dritte Mal in dieser Nacht den Videofilm "Titanic" an. Am nächsten Tag besoff sich Mitja wieder und warf den Ehering über den Zaun.
"Oh Gott, ein Alkoholiker, dachte Dascha. So ein Unglück!" Nach der Geburt ihres Sohnes geht Dascha weg in eine "kalte" Stadt im Kohlengrubenrevier weit weg vom warmen Süden.
" Es war kurz vor Sylvester, der Wind heulte wolfesartig und kippte das an Wärme gewohnte Mädchen Dascha und ihren vierjährigen Sohn, der sich am Zipfel ihres Pelzes festhielt, fast um."
Dascha versuchte, das Ausrutschen ihres Sohnes auf die erbarmungslose vereiste Steine zu verhindern. Sie schaute mit vor Schmerz blinden Augen in das kleine verängstigte Gesicht. Verlor das Bewusstsein, aber ließ seine kleine Hand im Handschuh nicht los. Der Junge ging in die Hocke vor seiner Mutter und weinte laut, aber keiner hörte ihn. Wahrscheinlich waren alle mit Vorbereitungen zur Sylvesterparty beschäftig und keiner hatte Zeit aus dem Fenster zu schauen. Wozu auch, wenn nur noch ein paar Stunden bis zum Jahreswechsel geblieben waren..."
In diesem Kontext sieht die Geschichte dieser vom Pech verfolgten jungen Frau besonders trostlos aus und hinterlässt einen bitteren Beigeschmack und das Gefühl der Anteilnahme an etwas sehr Persönlichem und der Gewissheit, dass solche Schicksale viel zu oft auf dieser Welt vorkommen.
Die veröffentlichten Erzählungen sind nur ein Teil von dem, was Swetlana Felde schon geschrieben hat. Über welche Probleme sie auch schreibt, in der Künstlerwelt von Swetlana Felde herrscht immer eine leidenschaftliche Flut menschlicher Wünsche und Träume. Dies ist ein Zeichen dafür, das ihre Prosa lebensnah ist und die Autorin keine leichtwiegende zufällige Themen sich vornimmt und immer vorsichtig und bedacht, ernst und überraschungsvoll bleiben wird.
(Übersetzung Agnes Giesbrecht)