Gaab, Georg
Manche Uhren laufen anders
Geest-Verlag 2005
ISBN 3-937844-56-2
10 Euro

Georg Gaab verbindet in seinem Buch zwei Vorhaben. Zum einen eine kurze, knappe Erzählung zu schreiben, die eine gelungene Pointe erhält, über die der Leser lachen, die Stirn runzeln oder auch weinen kann. Eine Absicht, die ihm in den mehr als dreißig kurzen Erzählungen des Bandes überzeugend gelingt.

Die überraschende Wendung, vom Leser so nicht erwartet, entlarvt Alltägliches, Charaktere oder auch anscheinend Bekanntes. Zum anderen verwirklicht Georg Gaab aber auch sein zweites Vorhaben. Es gelingt ihm mit seinen Erzählungen, wesentliche Momente, Sichtweisen, Verhaltenseigenschaften einer Bevölkerungsgruppe in der Bundesrepublik, der Aussiedler, aufzuzeigen. Dabei scheut er keinesfalls das Moment der Selbstironie und des Witzes über sich selbst. Beide Vorhaben ergänzen und verbinden sich. Dem Leser wird ein Bild von jenen deutschen Aussiedlern gegeben, die über viele Jahrzehnte in Russland lebten, dort oft unter den schwierigsten Bedingungen, Verbannung und Verfolgung, ‚ihre' deutsche Sprache behielten und ihre ganz typischen Eigenschaften ausprägten. In der Begegnung mit der russischen bzw. sowjetischen und der deutschen Gesellschaft sorgen diese Charaktere häufig genug für besondere Verwicklungen, für komische und tragikomische Momente.

Die kurze Situationserzählung bietet die Chance für die Pointe, für den Witz, für das Verdeutlichen.
Das Aufspüren und das Verstehen der Besonderheit der Situation kann natürlich nur einem russlanddeutschen Autoren gelingen, der wie Gaab dazugehört und zugleich genügend liebevolle Selbstkritik entwickelt. Die Entwicklung einer solchen Erzählkultur, die auch die schwierige sprachliche Problemstellung zwischen Anpassung an die deutsche Erzählsprache und Erhalt einer typischen Aussiedlersprache mit sich bringt, ist ein von Georg Gaab (und auch anderen Autoren aus dem ‚Literaturkreis der Deutschen aus Russland') mutig und originell angegangenes Vorhaben, dessen Produkt sowohl der bundesdeutsche als auch der russlanddeutsche Leser genießen kann. Es trägt zudem wesentlich zum Erwerb und Erhalt einer russlanddeutschen Identität bei, die für das ‚Überleben' in der bundesdeutschen Wirklichkeit wesentlich ist