Andreas Peters - Leichensammler (zum 7. Oktober)

LEICHENSAMMLER

 

Für Jossi Landau

 

Jossi, du Leichensammler, hinter dir die

weißen Metallcontainer mit den Kühlschränken,

du kannst sie noch riechen, die Geschächteten,

die Leichen/Teile aus den Kibbuzen vom Schabbat.

 

Du stehst morgens mit den Leichen auf, gehst

mit den Leichen zu Bette, du träumst von Leichen/

Teilen, dein Traum aber wäre: die Geschlachteten

so vollständig wie möglich beizusetzen samt

 

dem Blut. Bei einer Geburt ist alles dran & sieht

perfekt aus. Das weiß Jossi nach 10 Kindern.

Kibbuz Beʾeri. Eine Frau in Blutlache. Das Blut

kann  nicht lachen, sagt Jossi, es schreit zum

 

Himmel mit Abel. Der Unterleib aufgeschlitzt. Ein

ungeborenes Baby. Die Nabelschnur nicht durch-

trennt. Eine Stichwunde in der Brust. Lasst uns ein

Gebet singen, sagt Jossi. „Der Messias ist auf dem

 

Weg & er will uns retten.“ Wer wurde zuerst getötet,

die Frage bleibt unbeantwortet. Wie ein Kaiserschnitt,

sagt Jossi, jedes Neugeborene ist ein Kaiser, ein König,

deshalb heißt es so. & wenn es der Messias wäre,

 

solche Selbstfragen tun weh beim Beschriften

eines Leichensacks mit dem hebräischen Namen

für Baby. Viel Blut, so viel wie möglich, Blutspritzer,

blutgetränkte Kleidungsstücke zu bergen, samt

 

 Leichen zu begraben. Der Mensch kann ohne ein

Bein oder eine Hand leben, aber nicht ohne Blut,

sagt Jossi, der 10fache Vater. Man kann nie wissen,

welcher verlorene Tropfen den Menschen getötet

 

habe & man kann nie wissen, welcher Tropfen

ihm das Leben spendet in der Auferstehung der Toten,

beim Schofarruf des Erzengels. Jossi sagt  „Amen!“,

der Leichensammler aus dem Stamm Jehuda.