Presse berichtet über die Premiere des Selbsthilfebuchs 'Ich pack' es'
Schicksalsschläge verarbeiten:
Verleger Alfred Büngen, Bettina Rühlmann (LCV),
Heinz Hackmann (Autor), Heinrich Röwe (SHG Schlaganfall),
Madlen Seelhoff (LCV) und Goldenstedts Bürgermeister Alfred Kuhlmann
freuen sich über das Buch voller Mutgeschichten.
Bild: Heinzel
Goldenstedt. Heinz Hackmann – genannt Hacki – hatte innerhalb eines Vierteljahres zwei Schlaganfälle. Gemeinsam mit einer ebenfalls betroffenen Bekannten gründete er daraufhin die Selbsthilfegruppe (SHG) Schlaganfall. Jetzt ist er einer der Autoren des Buches „Ich pack’ es?! – Mutgeschichten aus den Selbsthilfegruppen des Landkreises Vechta“. Das Buch wurde jetzt im Goldenstedter Rathaus vorgestellt. Es ist ein Projekt des Landes-Caritasverbandes für Oldenburg zusammen mit dem Visbeker Geest-Verlag.
In der Selbsthilfegruppe, die Heinz Hackmann gegründet hatte, treffen sich inzwischen regelmäßig neun Betroffene. Einer von ihnen ist Heinrich Röwe. Er entschloss sich vor 2 Jahren, zu einem Treffen der SHG zu gehen. „Ich habe sehr schnell gemerkt, dass es hilft, dort hinzugehen und ich nicht alleine bin“, sagt er. „Man muss bereit sein, sich helfen zu lassen“, fügt Heinz Hackmann hinzu.
Es sei schwierig, sich selbst einzugestehen, dass sich vieles verändert hat und einem eine Selbsthilfegruppe helfen könne. Es koste durchaus Überwindung, erstmals zu einem Treffen zu gehen. Doch die Gemeinschaft in der Gruppe würde helfen und Mut machen. „Das habe ich selbst erlebt“, erzählt Heinrich Röwe.
„Sehr offen, sehr ehrlich und sehr ergreifend“ – so bezeichnete Madlen Seelhoff von der Kontakt- und Beratungsstelle Selbsthilfe des Landes-Caritasverbandes (LCV) für Oldenburg die Texte des neuen Buches. „Jeder einzelne Beitrag lohnt sich“, betont Seelhoff weiter. Dies unterstrichen auch die vorgetragenen Leseproben während der Veranstaltung im Goldenstedter Rathaus.
Das Buch ist kostenlos in Vechta bei der Caritas erhältlich. Auf mehr als 250 Seiten schildern darin Mitglieder unterschiedlicher Selbsthilfegruppen ihre Erlebnisse, beschreiben ihren „Seelenort“ oder ihr „Seelenfutter“ – also Orte und Essen, die sie in Krisen- und Wohlfühlsituationen aufsuchen oder zu dem sie greifen. Heinz Hackmann schreibt dort zum Beispiel über seinen „Seelenort“, den er entdeckte, als eine Tanne hinter seinem Haus für den Lohner Weihnachtsmarkt gefällt wurde. „In Form von Briefen erzählen sie von ihrem Weg zur Selbsthilfe, von den Herausforderungen, aber auch von den Kraftquellen, die sie unterwegs entdeckt haben“, berichtet Bettina Rühlmann vom LCV.
„Es war ein langes halbes Jahr“, meinte Verleger Alfred Büngen. Jeder Besuch in einer der Selbsthilfegruppen sei etwas Besonderes gewesen. Solche Schreibprojekte gehörten zu seinem Alltag, aber „es war kein Alltag mit Ihnen zu schreiben“, wandte sich der Verleger an die Autoren. Die entstandenen Texte seien „tief berührend, ehrlich, manchmal nachdenklich, oft ermutigend und nicht selten rührten sie zu Tränen und manchmal zum Lachen“, fasst Seelhoff zusammen. Das Ergebnis zeige, wie facettenreich die Selbsthilfe im Landkreis Vechta sei. Es gebe aktuell 86 Selbsthilfegruppe in nahezu 20 unterschiedlichen Bereichen wie beispielsweise Adipositas, Krebs, Long Covid, pflegende Angehörige oder Suchterkrankungen.
„Und ich weiß, dass ich nicht allein bin mit meinem Blick auf die Welt“, schreibt ein Mitglied der SHG Autismus. „Bewahrt euch euren Humor“, rät A. in seinem Text über Kehlkopfkrebs. Dieser findet sich bei Rita, die über die Kehlkopfkrebserkrankung ihres Mannes schreibt. „Ich hatte beim Lesen meinen schlimmsten Lachanfall“, erzählt Seelhoff. Die Leser des Textes verstehen sofort warum, denn ihnen dürfte es ähnlich ergehen. Gleichzeitig rührt der Text einen zu Tränen.
Die Betrachtung der vorgetragenen Lesebeispiele vertieft das Gefühl, dass die einzelnen Texte Möglichkeiten bieten anzudocken, etwas zu lernen, sich verstanden und nicht alleine zu fühlen. Denn wie schreibt Rita über eine Situation: „Ich fühlte mich plötzlich ungehört und alleingelassen.“
Aus dem Buchprojekt heraus soll 2025 auch eine Ausstellung entstehen. Einzelne Briefe sollen auf Plakate gedruckt werden – welche, steht noch nicht fest. Und mit diesen soll es in die Rathäuser der Region gehen. Damit wollen die Autoren des Buches auf ihre Existenz hinweisen und Mut machen, sich an sie zu wenden und in eine Selbsthilfegruppe zu gehen. Heinrich Röwe war selbst über einen Zeitungsartikel auf seine Selbsthilfegruppe aufmerksam geworden, und fasste daraufhin den Entschluss hinzugehen. Er hofft, dass betroffene Menschen durch das Buch nun auch Mut fassen, diesen Schritt zu gehen.
OV v. 16.12