Dieter Krenz - Eine persönliche Ergänzung zum Buch 'Schattenfarben fangen'

Eine persönliche Ergänzung zu „Schattenfarben fangen“

Zunächst einmal ein großes Dankeschön für die Herausgabe dieses besonderen Buches – mit einem Blick hinter die Kulissen des Schreibens von Poesie.

Zwei Textstellen aus dem Buch möchte ich zitieren. Bei beiden fühle ich eine Art von „Seelenverwandtschaft“.

Holger Küls schreibt: „Gedichte schreiben bedeutet auf Wörter zu warten, auf Bilder, die auf sich warten lassen.“

Und Sigune Schnabel schreibt  in „In meiner Tasche der Himmel“ am Ende: “Ich schiebe meine Hand in die Jackentasche. Das Wort ist noch da. Mein Himmel. Ich muss es nur noch an die richtige Stelle bringen..“

Immer geht es um ein Wort.  -  So ist es auch bei mir:

Wenn ich gefragt werde, wie ein Gedicht entsteht, also mein Gedicht, antworte ich, dass ich dabei stets auf der Suche nach dem einen Wort bin. Das Wort kann auch ein Satz, ein Halbsatz, ein Stichwort sein.
Es ist aber verborgen hinter allen anderen Wörtern. Dann heißt es behutsam das Wort freilegen.
Manchmal aber fällt mir das Wort einfach zu - beim Nachdenken über ein Thema.
Beispiel Diktatoren: Einer sät Wüste auf das Land...

Daraus wurde der nachfolgende Textabschnitt:

In der Geschichte

Immer wieder
kommt ein anderer mit Sand,
sät Wüste auf das Land …...

Erklären kann ich das nur mit einem spontanen, assoziativen Gedanken, einem Vergleich, den ich in diesem Moment ziehe – mit einem Bild vor meinem inneren Auge.

Als ich 14, 15 Jahre alt war, kannte ich einen Apotheker. Er war damals schon über 80. Er war ein Mentor für mich. Der erklärte mir, dass alles miteinander in Beziehung steht. Auch das, was scheinbar weit von einander entfernt ist. Das habe ich mir gemerkt – und für richtig befunden.

Eine ganz andere Inspiration für das Denken und Schreiben war Karl Valentin, „der Linksdenker“, wie ihn Kurt Tucholsky nannte.
Das Wechselseitige, Gegensätzliche zu formulieren, eröffnet mir im Gedicht Räume.

Und dann Bertolt Brecht mit seiner einfachen, klaren Sprache.

Diese drei Inspirationsquellen sind keine Werkzeuge um mein Gedicht zu bauen, aber sie sind ein stiller Hintergrund.

Mein Gedicht fordert eine Struktur, einen Aufbau. Aber es mag keine Schnörkel, nicht zu viele Wörter.
Wenn die Grundidee da ist, ist alles andere Ausprobieren, Einsetzen und vor allem viele, viele Streichungen.

Und es bedarf immer wieder der Suche nach dem einen  Wort. So entstehen Markierungspunkte auf dem Weg bis zur Fertigstellung. In meinem Gedicht In der Geschichte (s.o.) sind es diese Wörter:

Turm
Wasser
Salz
Lachmöwen

Die Entstehung des Gedichtes hat zwar Aspekte von Technik und Konstruktion, letztendlich bleibt mir nach der Fertigstellung manches rational nicht mehr nachvollziehbar.
Und das ist vielleicht auch gut so.

Hier nun das komplette Gedicht:

In der Geschichte

Immer wieder
kommt ein anderer mit Sand,
sät Wüste auf das Land,

kommt mit Steinen,
baut seinen Turm
zu überwachen die Wüste,

kommt mit Wasser
zum Meer
aufzulösen das Salz.

Die Möwen aber lachen -
geflutet werden
Wüste und Turm.

Dieter Krenz Februar 2025