Cornelia Eichner - Gretchen Keuner in der Buchhandlung

Gretchen Keuner in der Buchhandlung

Frau Keuner durchstöberte in der Buchhandlung, dort, wo die Abteilungen der Geschichte, der Politik und der Biografien aufeinandertrafen, die Regale. Gerade als sie eine der Mitarbeiterinnen auf die Veröffentlichung des Bloggers Raif Badawi ansprach, stürzte sich ein Bürger mit stark besorgter Miene auf die Händlerin und verflocht sie in ein erregtes Gespräch. Genauer gesagt redete er. „Können Sie mir helfen?! Ich suche eine Biografie, in der Helmut Schmidt sagt, dass der Irak-Krieg ein Fehler war!” Gerade als die Buchhändlerin zum Sprechen ansetzte „Wir haben mehrere Bio-grafien …“, antwortete er selbst: „Es muss doch irgendwo drinstehen, dass es ein Fehler war! Hätte man mal auf ihn hören sollen!” Wieder versuchte sie eine Antwort: „Das kann schon sein …“ „Die Leitmedien belügen das Volk ja ständig, da muss man Bücher lesen, das ist doch eine Frage von Bildung und wir lassen uns nichts mehr vormachen!” Die Buchhändlerin versuchte es erneut: „Meine Kollegen haben natürlich nicht jedes Buch …“ „Es ist doch unglaublich, wie man heute von den Staatsmedien immerzu beschissen wird, aber nicht mit uns!” Er stampfte mit dem Fuß, die Buchhändlerin trat einen Schritt zurück und wischte sich seine Spucke aus dem Gesicht, dann sprach sie: „Es gibt ja verschiedene Medien, da muss man abwägen …“ „Ach, erzählen Sie mir doch nichts, die müssen doch alle schreiben, was die in der Regierung verlangen. Alles gleichgeschaltet!” Die Buchhändlerin trat noch einen Schritt zurück, griff schwei-gend in ein Regal, zog eine Schmidt-Biografie aus dem Re-gal und reichte sie nickend dem Mann ihr gegenüber. Nun war es an ihm zurückzuweichen. „Die ist ja viel zu dick, das kann doch keiner lesen!”, sprach er, drehte sich auf dem Absatz um und stürmte nach draußen.
Frau Keuner hatte inzwischen gefunden, was sie suchte.